Fintech ist global – die Herausforderungen sind lokal

Ein Rückblick auf das Singapore Fintech Festival 2018 von Nicholas Ziegert, Geschäftsführer W&Z FinTech GmbH (Ownly)

Stolze 40.000 Menschen besuchten das Fintech Festival Singapur, das in der Woche vom 12. bis 16. November im südostasiatischen Stadtstaat stattfand – es dürfen damit wohl der weltweit größte Kongress seiner Art sein.

Wie in Singapur gewohnt, war alles gut organisiert. Die Regierung fördert aktiv Singapurs Stellung im Fintech-Bereich in Asien. Nicht nur, dass eine erhebliche finanzielle Unterstützung gegeben wurde. Beeindruckend war, wie sattelfest die offiziellen Vertreter, wie der Chef der Monetary Authority Singapur (MAS, so eine Art Zentralbank und Bafin in einem) Ravi Menon, im Thema waren. Agiles Vorgehen ist hier auch in obersten Regierungsbehörden angekommen. So berichtete Menon, ein Harvard-Absolvent, nicht nur von Erfolgen, sondern auch von ungelösten Problemen, etwa von den Projekten, das KYC-Management (Know Your Customer) bei den lokalen Banken zu vereinfachen, und dass sie beim KYC für Firmen bisher gescheitert sind. Er kündigte an, einen Erfahrungsbericht zu publizieren und forderte die Fintech-Industrie zur Mitarbeit auf. Solche Offenheit käme unseren Behördenstrukturen in Deutschland sicher auch zugute.

Wie wichtig Singapur mittlerweile auf der Fintech-Landkarte geworden ist, zeigt die gerade gelaunchte Plattform Apix, die in Singapur Fintechs aus der gesamten asiatischen Region zum Austausch ihrer Technologien anregt. Auch die Deutsche Bank hat in diesen Tagen ein zusätzliches Innovationslabor in Singapur eröffnet. Hinter all dem steht die Erkenntnis, dass es aussichtslos ist – selbst als großer Konzern, oder Stadtstaat – die notwendigen Innovationen selbst zu entwickeln. Es geht vielmehr um die Adaption vorhandener Produkte, Features und Verfahren für das eigene Geschäftsmodell und die dazugehörige Vernetzung. Übereinstimmend stellen die Vertreter großer Banken fest, wie entscheidend ein lebendiger Zugang zu Fintechs ist, und welche Auswirkungen dies auf „how to manage banks“ hat. Das Rennen dreht sich derzeit darum, die für den eigenen Markt wichtigen Kunden im Sinne des „customer engagements“ digital zu binden, so Barclays-Vorstand Ashok Vaswani.

Anderer Kontinent, ähnliche Herausforderungen

Die großen Themen der Fintech-Industrie – von vereinheitlichten Schnittstellen über Blockchain, Payment, Voice, künstliche Intelligenz und maschinellem Lernen – sind in Südostasien die gleichen wie in Europa. Die Detailansätze und Herausforderungen sind jedoch sehr lokal geprägt. Dies bestätigte auch Werner Steinmüller von der Deutschen Bank bei einer Podiumsdiskussion auf die Frage wie die Deutsche Bank in den Regionen mit der Fintech-Thematik umgeht. Es müssten mit Hinblick auf regionale Gewohnheiten, Gesetze und Technologien noch immer eigene Lösungen gefunden werden.

Sehr global sind viele Fintechs personell aufgestellt bzw. arbeiten hier schon in kleinen Teams oft eine ganze Reihe von Nationalitäten zusammen. Fintechs selbst suchen sich schnell internationale Partner und Leben diese Partnerschaften auch. Die südostasiatischen ASEAN Staaten (u.a. Indonesien, Malaysia, Vietnam, Singapur) sind zwar noch weit von der rechtlich vereinheitlichten Ebene der EU entfernt. Die Technologieindustrie fordert dies jedoch lautstark ein.

Aus Deutschland war die Fidor Bank vertreten, die über ihr Konzept, beratend auch in den Emerging Markets zur Verfügung zu stehen, informierte. Im Übrigen waren EU-Staaten überraschend wenig vertreten, welches aus meiner Sicht ein Versäumnis war. Die Schweiz dagegen hat staatlich unterstützt eine ganze Reihe von Fintechs mit zum Festival gebracht.

Die PSD2 als Marktvorteil für die EU

Ein großes Hindernis für asiatische Fintechs sind nach wie vor die uneinheitlichen Regeln und technischen Grundlagen. Etwas wie die Payment Directive 2 (PSD 2), die den Datenfluss hinsichtlich Bankdaten auf eine rechtlich und technisch einheitliche Grundlage für einen ganzen Wirtschaftsraum bringt, gibt es in Asien noch nicht. Solche Vorteile der EU sollten wir zu schätzen wissen. Denn in Sachen Anzahl der Start-ups, öffentliche Investitionen (siehe China im Bereich Künstliche Intelligenz), Ausbildung in den MINT-Fächern und Programmierkenntnissen sowie politischen Enthusiasmus rennt uns der Ferne Osten schon davon.

In Deutschland wird Fintech in der Öffentlichkeit meist unter dem Aspekt der wirtschaftlichen Bedeutung der Digitalisierung und des Datenschutzes („German Angst“) betrachtet. In Asien dagegen hat das Thema eine gesellschaftlich viel relevantere Bedeutung. Fintech wird als Möglichkeit gesehen, große soziale Probleme zu lösen. Ob dies nun für die 1,7 Milliarden Menschen sind, die keinen Zugang zu Finanzprodukten (Bankkonto, Versicherungen, Kredite) haben, oder die kleinen Unternehmen/ SMEs, die über neue Technologien kostengünstiger und manchmal überhaupt erstmalig an Kredite gelangen. Dass der Ministerpräsident von Indien (1,3 Milliarden Menschen), Narendra Modi, dies schon zum Teil umgesetzt hat und 300 Millionen bisher „unbanked“ Indern ein Bankkonto verschafft hat, unterstreicht dies eindrucksvoll.

„A historic turning point“

An jedem Tag der Festivals war „financial inclusion“ ein Thema. Und hier können Deutschland und Europa auch ihre Interpretation finden. So ist eine fundierte und sinnvolle Altersvorsorge, an der nicht nur die Vermittler verdienen, noch längst nicht erreicht. Die künstliche Intelligenz wird hier die Kosten der Anlageberatung senken und sie sicher qualitativ besser machen können. In diese Effizienzgewinne aus Fintech-Innovationen werden hier große Erwartungen gesetzt. Und um dem Missverständnis vorzubeugen, dass hier nur ungebremster Kapitalismus herrscht: Unter der Überschrift „responsible artificial intelligence“ wurde viel über die Auswirkungen von AI auf die Gesellschaft und die Verantwortlichkeit der Handelnden diskutiert.

Bei all diesen Themen wirkt der Zuruf von Madame Christine Lagarde, der Chefin des Internationalen Währungsfonds, an die anwesenden Fintechs dann auch gar nicht mehr so pathetisch: „We are at a historic turning point: You – young and bold entrepreneurs gathered here today – are not just inventing services, but potentially reinventing history. And we are all in the process adapting it“.

Wie eine politische Vision durch Fintech erreicht werden kann, hat das Singapur Fintech Festival eindrucksvoll gezeigt. Ich komme wieder!


Nicholas ZiegertDr. Nicholas Ziegert ist geschäftsführender Gesellschafter der W&Z FinTech GmbH („OWNLY App“). Nach Tätigkeiten als Anwalt und Banker hat Dr. Ziegert gemeinsam mit M.M.Warburg & CO 2015 die W&Z FinTech GmbH aufgebaut. Die Gesellschaft entwickelt und betreibt die App OWNLY, die Kunden aus dem Private Banking Segment in die Lage versetzt, ihr Vermögen selbstständig zu verwalten. Hierzu gehören unter anderem eine ganzheitliche Vermögensübersicht, die Bewertung einzelner Vermögenswerte (z.B. Immobilien, Gold, Bitcoin) sowie der Zugang zu ausgewähltem Kapitalmarktresearch.