Lesen Sie hier, warum die aktuellen Pioniere und Marktführer im Segment Robo Advice in der Versenkung verschwinden werden und wie sich Geschichte wiederholt. Oder kennen Sie noch die Verbraucherbank?
Man glaubt es kaum: Weder die Deutsche Bank, noch die Commerzbank oder die Dresdner Bank (die Älteren mögen sich an sie erinnern) waren die Pioniere bei Banking-Terminals, Geldautomaten und Online-Banking. Innovativster Pionier in den siebziger Jahren war die Verbraucherbank. Sie war die erste Bank, die Zweigstellen mit Computer-Terminals ausstattete. Kunden konnten sich damit selbständig den aktuellen Kontostand sowie die letzten Kontenbewegungen anschauen, Bargeld abheben, Überweisungen tätigen und Daueraufträge erteilen. Es war auch die Verbraucherbank, die im selben Jahr einen der weltweit ersten Geldautomaten installierte und einige Zeit später den Kontoservice auch über BTX Bildschirmtext anbot – und damit die Basis für das heutige Online-Banking legte.
Diese nutzerfreundlichen, zum Teil kostenlosen Innovationen kamen so gut an, dass die Bank in kurzer Zeit mehrere tausend Neukunden für sich gewinnen konnte. Dadurch unter Druck gesetzt, zogen alle Wettbewerber nach. Technisch war das kein Problem, denn Nixdorf und Co. boten die Automaten jedem an. So wurde es für alle Bankkunden schnell zu einer Selbstverständlichkeit, für einfache Bankgeschäfte eine von der Filiale und ihren Öffnungszeiten unabhängige Option zu haben.
Und die Verbraucherbank? Der Pionier schaffte es nicht, die Zeit des Innovationsvorsprungs zu nutzen, um seinen Marktanteil signifikant zu erhöhen. Stattdessen wurde die Bank 1984 von der Noris Bank übernommen – und ist heute nahezu unbekannt.
Was das mit Robo Advice zu tun hat
Knapp 40 Jahre später sind es erneut nicht die verbliebenden Großbanken, die Innovationen vorantreiben, sondern junge, innovative Unternehmen. In der digitalen Vermögensverwaltung sind Scalable, Ginmon und Liqid die namhaftesten Pioniere. Insgesamt gibt es im Bereich Robo Advice aktuell 13 Anbieter in Deutschland. Alle haben gemeinsam, dass kein Mensch mehr aktiv in den Anlageprozess eingreift.
Stattdessen übernimmt ein mehr oder weniger ausgeklügelter Algorithmus. Online werden mit ein paar kurzen Fragen die Anlagebedürfnisse und die Risikobereitschaft des Anlegers ermittelt. Daraus leitet die Software sofort eine maßgeschneiderte Anlagestrategie ab, die mit Indexfonds/ ETFs umgesetzt wird. Die so erstellten Portfolios werden dann laufend überwacht und frei von Emotionen adjustiert (Rebalancing).
Dieser Ansatz ist nicht nur bequem und zeitsparend, sondern er berücksichtigt auch wesentliche Erkenntnisse der Finanztheorie. Durch die schlanken Strukturen sind die Robo Advisor zudem in der Lage, eine Vermögensverwaltung zu einem Bruchteil der Kosten herkömmlicher Banken anzubieten – und ohne die sonst üblichen hohen Mindestanlagebeträge. Für Konto- und Depotführung sowie Transaktionen fallen keine zusätzlichen Gebühren an.
Auch diese nutzerfreundliche Innovation kommt gut an. Die digitalen Vermögensverwalter konnten bisher bereits mehrere tausend Neukunden für sich gewinnen, die ihnen mehrere hundert Millionen Euro anvertraut haben. Tendenz stark steigend. Denn der hohen Online-Affinität entsprechend, erwarten immer mehr Bankkunden, auch in der Vermögensverwaltung eine von der Filiale und ihren Öffnungszeiten unabhängige Option zu haben.
Robo Advice wird selbstverständlich
Durch diese veränderte Erwartungshaltung der Kunden unter Druck gesetzt, werden alle Banken und namhaften Vermögensverwalter nachziehen (müssen) und digitale Vermögensverwaltung in ihre eigenen Angebote zumindest als Ergänzung integrieren.
Wie zuvor schon Banking-Terminal, Geldautomat und Online-Banking, wird Robo Advice damit zu einer Selbstverständlichkeit, spätestens ab Mitte 2018. Somit wird Zeit des Innovationsvorsprungs für die Pioniere erneut zu kurz sein, um eine ausreichend große Kundenzahl zum Wechsel zu bewegen und eine signifikante, wirtschaftlich einträgliche Marktposition zu erreichen. Zumal sie ebenfalls kein technisches Alleinstellungsmerkmal haben. Denn Robo-Advice-Lösungen stehen den etablierten Finanzdienstleistern zahlreich zur Verfügung, sei es im Rahmen einer Kooperation oder direkt als Software.
Scalable, Ginmon, Liqid & Co. werden also von der Entwicklung, die sie selbst angestoßen haben, überrollt werden und sie – ebenso wie die Banken, die meinen, sich dieser Entwicklung entziehen zu können – in der Versenkung verschwinden.
Ihnen wird lediglich die allgemeine Anerkennung für die Pionierarbeit verbleiben – und die Hoffnung darauf, übernommen zu werden. Wie damals die Verbraucherbank.
Lesen Sie auch die Replik von Christian Schneider-Sickert, Co-Founder und CEO von Liqid.