Meine Qualifikation für diesen Artikel ist simpel: meine fehlende Erfahrung. Ich war mit meinen 33 Jahren noch nie in einem Metaversum oder dem, was wir als Proto-Metaversum bisher davon erleben können. Damit gehöre ich vermutlich zu dem kleineren Teil der Teilnehmer:innen dieser Veranstaltung. Gerade deshalb bin ich das perfekte Versuchskaninchen für einen Selbstversuch.
Zwei Dual-Studierende betreuen den ersten Stand mit VR-Brillen, den ich direkt ansteuere, und haben eine Oculus Quest 2 vor sich liegen und zwei dazugehörige Controller. Die erste Herausforderung ist, die Halterung der Brille auf meinen Kopf anzupassen. Die Brille ist relativ schwer und rutscht mir immer wieder von den Augen, aber irgendwann sitzt alles so stramm, dass ich – Trommelwirbel – das allererste Mal nur noch das Proto-Metaversum vor mir sehe. Es ist etwas grobkörnig und über den Ausblick auf die Landschaft legt sich auch noch ein rotes Raster, das verhindert, dass ich im realen Leben zu weit weg und im schlimmsten Fall gegen Menschen laufe.
Die beiden Studis erklären mir, wie ich mich fortbewege: diesen einen Knopf zum Laufen gedrückt halten, mit dem anderen kann ich mich ein großes Stück vorwärts beamen und mit dem nächsten greife ich Dinge. Das klingt komplexer, als es ist, und auch wenn ich überhaupt nie an Konsolen zocke, ist diese Bedienung easy.
Erwartungshaltung
Auf dem Hinweg zur Konferenz habe ich im Zug noch überlegt, was eigentlich meine Erwartungen an dieses Erlebnis sind. Die größte Befürchtung war, dass mir sofort übel wird. Denn interessanterweise ist das die Erfahrung, von der mir immer als erstes berichtet wird – von der physischen Auswirkung einer immersiven Erfahrung in einer Virtuellen Realität. Das liegt daran, dass das Auge etwas anderes sieht, als der Körper erlebt. Motion Sickness ist der Fachbegriff. Studien lassen befürchten, dass Frauen besonders häufig an Motion Sickness leiden, insbesondere dann, wenn sie schwanger sind oder ihre Periode haben.
Auch ansonsten halten sich meine Erwartungen in Grenzen, denn ich vermute, dass „in einem Metaversum sein” – ob heute in den Vorgängern oder später mal, wenn es echte Metaversen gibt – etwas ist, das man üben muss und ich dementsprechend bei meinem ersten Besuch begrenzte Erfahrungen mache. Was mich richtig freuen würde, wäre ein Reise-Ausflug. Vielleicht einmal kurz in Thailand am Strand stehen oder vom Tafelberg auf Kapstadt gucken. Es ist schließlich gerade November in Deutschland und meine Aussichten sind durch Workload, Wetter und Wohnsituation weder bis zum Horizont noch sommerlich warm.
Proto-Metaversum vom Sparkassen Innovation Hub
Tatsächlich aber hat der Sparkassen Innovation Hub dieses kleine Proto-Metaversum eigens bauen lassen und deshalb ist es nur eine beschränkte Welt, die ich durch meine VR-Brille erlebe. Es gibt einen Basketballplatz, ein kleines Lagerfeuer – und eine Sparkassen-Filiale. In die spaziere ich rein und mache kurz bei einem digitalen Börsenspiel mit: Hier kann ich Aktien kaufen und verkaufen – aber das könnte ich ehrlich gesagt auch einfach so, vor einem simplen Bildschirm sitzend. Denn in dieser virtuellen Welt fehlt etwas für ein echtes Metaversum Entscheidendes: die anderen Avatare, mit denen ich in Echtzeit gleichzeitig am selben Ort bin. Ich setze die Brille wieder ab, auch, weil mir ein bisschen schwummerig ist.
Avatunnel von Future Candy
Ein paar Stündchen später bin ich bereit für den nächsten Ausflug: Die Innovationsagentur Future Candy hat ihren „Avatunnel“ zur Symbioticon mitgebracht, in dem ich mich digital klonen lassen kann – sprich: einen Avatar erstellen. Zuerst mache ich in einem Tunnel ein Foto von mir, auf Basis dessen gestalte ich meinen Avatar und kann den dann ausdrucken und auf mein Festival-Badge kleben – und wieder durch eine Oculus-Brille digital erleben. Und das funktioniert jetzt beim zweiten Mal schon viel besser und ich laufe relativ zielstrebig durch den Raum. Bis zu dem Moment, als ich einen falschen Knopf am Controller drücke und statt vor der Post-it-Sammlung an den bodentiefen Fenstern stehe und tief auf einen Wald herunterschaue. Höhenangst erlebe ich also definitiv auch in virtueller Welt.
Mein virtuelles Ich
Und wie fühle ich mich virtuell? Bin das da wirklich ich oder will ich das da sein? Eher nicht, denn mit dem Aussehen meines Avatars bin ich nicht wirklich zufrieden. Wer gestaltet denn solche Kleidung für Frauen? Vielleicht (männliche) Menschen, die zwar selbst keine Frauenkleidung tragen, dafür aber ein Bild davon haben, wie sie weibliche Personen gerne sehen? Klar, ich könnte relativ neutrale Hoodies auswählen, aber vor allem auch kurze Minikleider oder Kostüme, die mich an weibliche Heldinnen aus Konsolenspiele erinnern. In Gesprächen bestätigen mir andere Frauen dieses Gefühl. Und um Vicktoria Klich, Speakerin auf der Konferenz und Co-Founder w3.fund zu zitieren: „Natürlich kann ich auch als Bleistift durch ein Proto-Metaversum gehen – aber das fühle ich noch viel weniger.”
Fazit eines Selbstversuchs
Vorbereitend für diesen Selbstversuch hatte ich mir einige Fragen aufgeschrieben. Unter anderem: Will ich nochmal in ein Proto-Metaversum? Geht das überhaupt, für mich als Endkonsumentin? Meine Antwort: Natürlich will ich nochmal hin, ich will dort ja auch mal andere Avatare treffen und Interaktion erleben. Was ich aber gelernt habe: Es gibt „ein Metaversum“ noch gar nicht. Es mangelt nicht nur an anderen Avataren, sondern auch an technischen Umsetzungsmöglichkeiten für mich als Nutzerin – und an Use Cases. Vor allem habe ich Lust, auch nicht-immersive Welten auszuprobieren – denn wo es keine Brille gibt, entsteht vielleicht auch keine Motion Sickness. Gerade fühlt es sich für mich noch so an, dass – solange ich nicht doch noch zur Gamerin werde –, es virtuell wenig gibt, was ich nicht auch in der Realität erleben könnte.
Das trifft natürlich auch auf die virtuelle Sparkassen-Filiale zu, obwohl ich die Idee mit dem virtuellen Börsen-Planspiel spannend finde. Vielleicht ist das ja der Schritt für mich, sowohl in die Welt der Gamerinnen als auch noch einmal in ein Proto-Metaversum. Falls hier jemand aus der virtuellen Filiale mitliest: Treffen wir uns auf ein Investment-Spiel? Ich hätte Lust!
Dieser Artikel stammt aus der aktuellen Sonderausgabe von GOLDILOCKS, dem gemeinsamen App-Magazin von finletter und Sparkassen Innovation Hub. Entstanden ist die Ausgabe begleitend zur Symbioticon, dem Inspirationsfestival der Sparkassen-Finanzgruppe in Frankfurt, bei dem sich vieles um das Zukunftsthema Metaversum drehte. Hier könnt ihr die Ausgabe online lesen – oder ihr ladet für die Lektüre die kostenlose GOLDILOCKS-App herunter (erhältlich für iOS und Android).