Digitale Transformation: Lehrstück Deutsche Bank

Friedrich Kersting
Friedrich Kersting

Die Deutsche Bank verfolgt bereits seit 2016 eine duale Strategie als Reaktion auf das sich immer weiter verschärfende Umfeld.  Demnach wird das angestammte, klassische Geschäft umfassend re-dimensioniert, optimiert und automatisiert. Der angestrebte radikale Effizienzsprung soll dafür sorgen, dass mit Geschwindigkeit und Kostenstruktur der (digitalen) Wettbewerber Schritt gehalten werden kann, die Profitabilität wieder steigt und Investitionsspielraum geschaffen wird.

Markus Pertlwieser
Sein Abgang ist die Banking-Personalie der Woche: CDO Markus Pertlwieser verlässt die Deutsche Bank (Pressebild)

Mit diesen Investitionsmitteln soll parallel die digitale Transformation erfolgen, sowohl im angestammten Kerngeschäft als auch in neuen Geschäftsfeldern. Dabei sind eine einfache Infrastruktur, offene Schnittstellen (Open Banking) sowie die Anbindung und Aufbau von Marktplätzen und Plattformen notwendig, da die digital-affinen Kunden deutlich höhere Ansprüche als klassische Bankkunden haben. Sie wünschen sich nicht mehr nur Sicherheit, Gewissheit und Stabilität, sondern auch noch:

  • digitale Erlebnisse, Lifestyle und (soziale) Vernetzung, wie sie es von WhatsApp, Facebook oder Instagram gewohnt sind;
  • Einfachheit, wie sie sie von Google kennen;
  • laufend an ihre Bedürfnisse angepasste Angebote und personalisierte Empfehlungen wie bei Amazon, Netflix und Spotify;
  • und das alles mit kostenlosen, aber dennoch rentablen Basis-Angeboten, voller Transparenz und hoher Flexibilität (= monatlich kündbar).

Als Ergebnis wird das „Digitale Ökosystem der Deutschen Bank“ angestrebt, das aus „Digitaler Hausbank“ (Alles auf einen Blick & Click), „Digitale Marktplätze“ (Bestmögliche Drittlösungen) und „Beyond Banking“ (Life Companion / TrustedPartner) bestehen soll.

Die schrittweise Umsetzung erfolgte plangemäß durch den scheidenden Chief Digital Officer (CDO) Markus Pertlwieser – sein Abgang wurde vergangene Woche bekannt –, der die digitale Transformation stets an drei Erfolgsvoraussetzungen knüpfte:

Erfolgsvoraussetzung 1: Mobilisierung der Kunden

Digitale Vorhaben dürfen sich nicht nur an potentielle Neukunden richten, sondern auch an die immer digitaler und wechselbereiter werdenden Bestandskunden. Um diese zumindest im Konzern zu halten, ist es erforderlich, dass die digitalen Angebote der Bank sie aktiv ansprechen und für sich gewinnen dürfen. Ansonsten werden sie mangels Alternativen direkt in die Arme der Fintechs und Challenger–/Neo-Banken getrieben.

Positiver Nebeneffekt: Dank der Mobilisierung der Bestandskunden erreicht das digitale Angebot schneller die kritische Größe, generiert positive Schlagzeilen, wird so auch für Neukunden zunehmend anziehender und erobert rasch wichtige Marktanteile.

Erfolgsvoraussetzung 2: Umsetzung mit Schnellbooten

Die digitale Transformation und der Aufbau eines ertragreichen Ökosystems müssen mit „Schnellbooten“ umgesetzt werden. Also mit autonomen, finanziell unabhängigen Einheiten, die hocheffizient und agil fern vom „Tanker“ Kerngeschäft agieren. Denn gerade Agilität ist ein wesentlicher Faktor für den Erfolg des Ökosystems. Sie ermöglicht es, auch auf leichte Marktveränderungen schnell – am besten schneller als der Wettbewerb – zu reagieren.

Erfolgsvoraussetzung 3: Rückendeckung durch den Vorstand

Die klassischen Marktbereiche stehen der digitalen Transformation grundsätzlich kritisch gegenüber. Sie sehen sie als Störfaktor, der die Kundenbeziehung bedroht und als Treiber visionärer Vorhaben, die sich nicht auszahlen. Oft sind solche Vorwürfe jedoch nicht faktenbasiert, sondern getrieben von Eifersüchteleien und Angst vor Bedeutungsverlust. Dementsprechend muss der Vorstand überzeugt hinter der Strategie stehen, haltlose Kritik unterdrücken und die konsequente Umsetzung der digitalen Transformation einfordern.

Lehrstück für andere Banken

Transformations-Kolumne von Friedrich-W. Kersting
Friedrich-W. Kersting schreibt auf finletter regelmäßig über Digitalstrategien im Banking

Als Vorstandsvorsitzender Christian Sewing und Markus Pertlwieser vor vier Jahren die Strategie vorstellten, herrschten Euphorie und Aufbruchsstimmung. Doch je mehr aus den schicken Folien echte Initiativen abgeleitet wurden, desto stärker wurde der Widerstand innerhalb der vielstimmigen Organisation Deutsche Bank. Letztlich setzte sich die Opposition offenbar durch. Denn dass alle Digitalvorhaben zukünftig vor allem am Ergebnisbeitrag gemessen werden sollen, lässt auf eine Abkehr von der dualen Strategie und den genannten Erfolgsvoraussetzungen schließen – und auf eine (zu) große Macht der Marktbereiche.

Andere Banken sollten die „Affäre Pertlwieser“ und die sie auslösenden grundsätzlichen Differenzen als Lehrstück verstehen: Werden die genannten Erfolgsvoraussetzungen nicht konsequent eingehalten, scheitert die duale Strategie. Das wäre fatal! Denn überleben werden nur die Banken, die das Kerngeschäft rentabilisieren und die digitale Transformation vorantreiben.