finletter 362 – Fintech-Finanzierung, Vivid Shopper, neue Bewertung für Wefox

Clas Beese
Clas Beese

Liebe Leser:innen,
die Technik hat uns heute Morgen einen gehörigen Streich gespielt.
Hier jetzt der aktuelle finletter.
Euer finletter-Team

Wie tief ist die Fintech-Krise?

Im Juni warben europäische Fintechs 77 Millionen Euro in Seed-Finanzierungsrunden ein. Damit landet die Finanztechnologie den zweiten Monat in Folge auf Platz zwei hinter Healthtech, den Risikokapitalgeber mit 118 Millionen Euro bedachten. Noch im April war Fintech mit 130 Millionen Euro der unangefochtene Spitzenreiter. Insgesamt wurden im Juni 595 Millionen Euro in europäische Start-ups investiert. Den größten Anteil – 187 Millionen Euro – sicherten sich britische Gründer, Unternehmen aus Frankreich warben 102 Millionen Euro ein. Deutschland landet mit 85 Millionen Euro auf Platz drei.

Sind diese Zahlen ein weiteres Indiz für die vielbeschworene Funding-Krise? Auch bei den Finanzierungsrunden über 50 Millionen Dollar ist ein Rückgang zu beobachten. Im ersten Halbjahr 2021 warben europäische Fintechs hierbei rund 30 Milliarden Dollar ein, 2022 nur 19 Milliarden. Doch dieser Vergleich hinkt: 2021 war ein wahres Rekordjahr, die Branche wurde mit Mitteln überschüttet, 125 europäische Fintech-Einhörner erblickten das Licht der Welt, mehr als in den drei Jahren davor zusammen. Geht man noch ein Jahr zurück, wirkt die Krise nicht mehr so gravierend. 2020 holten Fintechs nur 16,7 Milliarden – im ganzen Jahr.

Man darf bei dieser Betrachtung auch die wirtschaftliche Großwetterlage nicht außer Acht lassen. Die hohe Inflation in Europa und den USA, die Angst vor einer Rezession und der Absturz der Kryptowährungen sind für Technologieunternehmen im Allgemeinen und Fintechs im Besonderen alles andere als optimal. Dass Healthtech an Relevanz gewinnt, passt ebenfalls zur aktuellen Situation. Schließlich kämpft die Welt noch immer mit der Coronapandemie; Biontech und Moderna dürften vielen Investoren den Bereich Biotechnologie schmackhaft gemacht haben.

Fintech-Start-ups müssen sich dennoch auf die veränderte Situation einstellen. So leicht wie im Rekordjahr 2021 wird die Kapitalbeschaffung in den kommenden Monaten nicht vonstatten gehen. Dabei ist das Interesse an Finanztechnologie offensichtlich weiterhin groß: Apple macht Klarna und Co. mit einer eigenen Buy-now-pay-later-Lösung Konkurrenz, Otto will sich bei der Zahlungsabwicklung nicht mehr auf Drittdienstleister verlassen. Jetzt plant auch die Deutsche Bank, den Markt mit einem BNPL-Dienst zu erobern. Ein Schritt, der auf den ersten Blick befremdlich anmutet. Schließlich waren es die Banken, die viele Fintech-Ideen als wenig nachhaltige Hypes abkanzelten. Die Abwertung von Klarna und der Rückgang bei den Finanzierungen scheinen ihnen da sogar recht zu geben. Auf den zweiten Blick ergibt es durchaus Sinn. Banken und Big Tech konnten in den letzten Jahren genau beobachten, welche Konzepte aufgehen. Für einige scheint jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen, eigene Lösungen anzubieten. Das Wissen und die Innovationskraft der Start-ups sind aber weiterhin gefragt. Die dynamische Arbeitsweise eines jungen Teams nachzuahmen, fällt großen Unternehmen oft schwer. Auch die Deutsche Bank hat ihren BNPL-Dienst nicht etwa selbst entwickelt, sondern setzt auf eine Whitelabel-Lösung des Wiener Start-ups Credi2.

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– Fintech-News Deutschland –

Vom Fintech zur Handelsplattform: Vivid startet unter dem Namen Vivid Shopper einen eigenen E-Commerce-Dienst. Das Angebot ist direkt in die App integriert und bietet Zugang zu mehr als 1.000 Händlern. it-finanzmagazin.de

Celsius und Nuri: Das angeschlagene Kryptounternehmen Celsius meldet Insolvenz an. Auch Nuri könnten die Vorgänge nachhaltig Schaden zugefügt haben. Anscheinend war die Berliner Neobank zum Zeitpunkt des Crashs auf Investorensuche. financefwd.com

Digitales Trinkgeld: Das Münchner Start-up Edrixx hat eine Lösung für bargeldloses Trinkgeld entwickelt. Gäste müssen dafür weder eine App herunterladen noch Daten angeben. Trotzdem ist das Modell mit hohem organisatorischen Aufwand verbunden. it-finanzmagazin.de

Auch wichtig:

+++ Deloitte stellt in einer Studie fest, dass Nachhaltigkeit im Bankensektor eine immer größere Rolle spielt. Regulierungen und steigendes Umweltbewusstsein bei der Kundschaft zwingen die Institute zu schnellem Handeln. zebramagazin.de +++ Die ehemalige Axa-Vorständin Astrid Stange stößt als Co-CEO zum Berliner Insurtech Element. cash-online.de +++

 

Neue Finanzierungsrunden

+++ Das Berliner Insurtech Wefox sammelt in einer vom abu-dhabischen Staatsfond geführten Finanzierungsrunde 400 Millionen Dollar ein. Die Bewertung steigt damit auf 4,5 Milliarden Dollar. handelsblatt.com +++ Kadmos erhält in einer von Blossom Capital angeführten Series-A-Runde 29 Millionen Euro. Das Berliner Start-up will die Gehaltszahlungen für Gastarbeiter vereinfachen. www.startbase.de +++ Element sichert sich in einer Finanzierungsrunde 21,4 Millionen Euro. Das Versorgungswerk der Zahnärztekammer Berlin führt die Runde an. handelsblatt.com +++ Die Unternehmerinnen Lea-Sophie Cramer und Verena Pausder sowie der Fußballer Mario Götze investieren drei Millionen Euro in das Berliner Steuer-Fintech Ride. handelsblatt.com +++

 

– Neu auf finletter.de –

Ein Gastbeitrag von Marlen Lawrenz
ESG-Strategien gewinnen an Bedeutung: Verantwortungsvolles Handeln – ökologisch, sozial, ethisch – wird immer wichtiger. Aber wie können Banken und Finanzdienstleister diesen Ansatz effizient und zielgerichtet unterstützen? Die Antwort liefert Marlen Lawrenz, Product Specialist Managerin bei nCino in ihrem Gastbeitrag auf finletter.de.

 

– Neue Podcast-Folgen –

+++ Jan Beckers befasst sich in seinem Podcast unter anderem mit den Auswirkungen der jüngsten Klarna-Finanzierungsrunde auf die Fintechbranche. beckersbets.podigee.io +++ Bei Payment & Banking ist Niklas Radner zu Gast, der mit seinem Start-up Nelly Fintech-Wissen nutzen will, um analoge Prozesse in der Arztpraxis zu digitalisieren. paymentandbanking.podigee.io +++ Im PayTechTalk-Podcast sprechen Henri de Jong (Quantoz) und Gökhan Nazenin (FIS) über die Zukunft von Stablecoins und digitale Zentralbankwährungen. paytechlaw.com +++

 

– News International –

ING verkauft Digitaltochter: Die niederländische Bank ING verkauft die digitale Asset-Verwahrlösung Pyctor an GMEX. Das Londoner Unternehmen will mit dem Zukauf weiter daran arbeiten, die Lücke zwischen DeFi und CeFi zu schließen. cointelegraph.com

Gohenry übernimmt Pixpay: Das britisch-amerikanische Unternehmen Gohenry übernimmt den französischen Rivalen Pixpay. Beide Unternehmen bieten Produkte für die finanzielle Bildung von Kindern und Jugendlichen an, mit der Übernahme will Gohenry den europäischen Markt erobern. fintechmagazine.com

Moniflo startet Testphase: Seit zwei Jahren arbeitet der ehemalige KPMG-Manager Georges Bock an seinem Start-up Moniflo. Jetzt testet das Unternehmen ein erstes Produkt, eine App für nachhaltige Fonds. Langfristig ist die Weiterentwicklung zu einer Neo-Stockexchange mit eigener Lizenz geplant. financefwd.com

 

– Treffpunkte –

FintechWorld22: Bei der FintechWorld22 werden rund 150 Fintechs ihr Geschäftsmodell vor einer Fachjury präsentieren. Daneben gibt es ein Rahmenprogramm mit Vorträgen, Diskussionen und Interviews. 02.-03. November 2022, Berlin.

Mehr Veranstaltungen zu Fintech finden Sie im Event-Kalender auf finletter.de. Hier können Sie uns Tipps für Events geben.

 

– Wochenendlektüre –

Daten für Embedded Finance: Der Markt für eingebettete Finanzprodukte wächst. Um hier erfolgreich sein zu können, müssen Banken Daten effektiv nutzen. der-bank-blog.de

Risiko Klimakrise: Die Klimakrise ist auch für den Finanzsektor ein Risiko. Um herauszufinden, wie gut die europäischen Banken darauf vorbereitet sind, hat die EZB einen Klimastresstest durchgeführt. tagesschau.de

 

– Das Beste zum Schluss –

Von der Meme-Aktie zum NFT-König: Gamestop macht sich auf zu neuen Ufern. Das Unternehmen will einer der großen Namen im Geschäft mit der digitalen Kunst werden – und scheint damit Erfolg zu haben. In den ersten 48 Stunden wurden über den Gamestop Marketplace NFTs für 3,4 Millionen Dollar verkauft. btc-echo.de