Fintech Lobby Watch #2: Wir brauchen ein Fintech-Europa ohne Grenzen

Von Steffen von Blumröder. In meiner ersten finletter-Kolumne habe ich bereits meinen Unmut mit der aktuellen Digitalisierungsdebatte in Deutschland geschildert. Inzwischen hatte ich die Chance, einige Punkte auf europäischer Ebene zu adressieren. In einem EU Grünbuch.

Grünbücher sollen auf europäischer Ebene Diskussionen zu bestimmten Themen anstoßen. Sie richten sich hauptsächlich an Interessenträger, die damit zur Teilnahme an einer Konsultation und Debatte aufgefordert werden. Oft sind Grünbücher ein erster Anstoß für neue Rechtsvorschriften, die dann in sogenannten Weißbüchern erläutert werden, bevor es in ein ordentliches EU-Gesetzgebungsverfahren geht.

Im aktuellen EU Grünbuch über Finanzdienstleistungen für Privatkunden sollen nun vor allem die Chancen von grenzüberschreitenden Finanzangeboten und im Speziellen der Einfluss der Digitalisierung im Finanzsektor untersucht werden. Dabei zeigt sich einmal mehr, dass Fintech nicht gleich Fintech ist.

Die regulatorischen Anforderungen an unterschiedliche Fintech-Segmente sind in den einzelnen EU-Staaten doch recht unterschiedlich ausgeprägt. Genau das macht die Internationalisierung für viele junge Unternehmen sehr komplex. In einem Land benötige ich eine Lizenz, im anderen nicht. Bei einem Thema gibt es Passporting, beim anderen nicht. Ganz schwierig sind die jeweiligen Identifizierungs- und Authentifizierungsbedingungen.

Um zukünftig bessere Chancen für digitale Dienstleistungen zu gewährleisten, müssen wir an den folgenden Themenbereichen arbeiten:

Harmonisierung

Regulierung muss vermeiden, dass neue Dienste und innovative Idee zu komplexe werden anstatt ihre Komplexität noch zu intensiveren. Nur so gelingt ein einheitlicher Marktzugang innerhalb der EU, der wiederum grenzüberschreitende Finanzdienstleistungen ermöglicht.

End-to-End-Identifikation

Um Nutzern eines Fintech-Angebots einen einfachen Onboarding-Prozess zu ermöglichen, ist es wichtig, digitale Möglichkeiten für E-Signaturen, Online-Identifikatikons- und Authentifizierungsverfahren voll auszuschöpfen. Nur so haben die Unternehmen überhaupt eine Chance, grenzüberschreitende Dienste anzubieten, ohne dabei jedes Mal ein eigenes Büro aufmachen oder Kooperationen aufgleisen zu müssen.

Ein EU-Binnenmarkt, in dem Kunden Finanzdienstleistungen in einem anderen als ihrem Heimatmarkt nachfragen, ist sicherlich nicht kurzfristig realisierbar. Aus meiner Sicht kann das aber nicht bedeuten, dass man sich dann erst gar nicht mit dem Thema auseinandersetzt. Viele Produkte und Dienstleistungen wurden früher auch nur im Heimatmarkt gekauft und werden heute überall vertrieben, auch wenn die Differenzierung nicht groß ist. Skalierung heißt das Zauberwort – und die ist nur mit den geeigneten digitalen Angeboten möglich.

Steffen von Blumröder schreibt die finletter-Kolumne Fintech Lobby Watch
Steffen von Blumröder schreibt die finletter-Kolumne Fintech Lobby Watch

Ich glaube, Deutschland sollte sich mehr als Treiber für den digitalen Finanzmarkt in Europa sehen und nicht so sehr die Rolle des Nachzüglers einnehmen. Treiber sein, heißt, Chancen anzunehmen und neue Märkte zu erschließen. Wer dies nicht beherzigt, wird über kurz oder lang große Probleme bekommen und zunehmend Marktanteile an Player aus Spanien oder dem Baltikum verlieren. Dies gilt sowohl für Start-ups als auch für traditionelle Finanzdienstleister. Weit über 250 Millionen Kunden warten alleine in der Euro-Zone. Also auf zu neuen Ufern!