Fintech & Corona – Gewinner & Verlierer einer Branche

März 2020 – als im Frühjahr mit Lockdowns in ganz Europa und in vielen Ländern auf anderen Kontinenten deutlich wurde, dass nun alles anders wird, war die Fintech- und Finanzbranche natürlich auch betroffen. Die Verunsicherung war riesengroß und führte bei vielen Menschen, privat wie beruflich, zu einem Stillstand. Die Börse crashte. Privatpersonen verschoben Anlage- oder Kreditentscheidungen. Drastische Umsatzeinbrüche bei entsprechenden Fintechs und anderen Finanzdienstleistern waren die Folge.

Schließung von Bankfilialen

Auch wenn in Deutschland Bankfilialen als systemrelevant eingestuft und vom Lockdown im Frühjahr 2020 ausgenommen wurden, so konnte doch eine flächendeckende Schließung von Bankfilialen oder die Reduzierung von Öffnungszeiten beobachtet werden. Die Entscheider in Banken wollten ihre Mitarbeiter nicht einem damals nicht einzuschätzenden Gesundheitsrisiko aussetzen. Und Bankkunden wollten dieses Risiko genauso wenig eingehen und blieben fern.

Zwei Dinge wurden sehr schnell deutlich:

  1. Dies war die Chance, ohnehin geplante Filialschließungen aufgrund der Digitalisierung vorzuziehen – und damit negative Auswirkungen auf die eigene Reputation zu vermeiden.
  2. Schlagartig wurde klar, wie wichtig es war, die eigenen Kunden auf anderen Kanälen zu erreichen, wenn die Filiale nicht zur Verfügung steht. Omni-Kanal-Strategien von Banken wurden wichtig und dringend wie nie zuvor.

Digitalisierung von Prozessen

In der etablierten Finanzwirtschaft wird also heute weiterhin mit Priorität und Budget an der Digitalisierung der eigenen Prozesse gearbeitet. Für die Mitarbeiter der etablierten Institute musste innerhalb von kürzester Zeit Remote-Work technisch und organisatorisch sichergestellt werden. Wertvolle Erfahrungen, was sich jetzt im zweiten Lockdown zeigt.

Gestiegener Beratungs- und Finanzierungsbedarf

Zeitgleich stieg bei Geschäftskunden sofort der Beratungs- und Finanzierungsbedarf – verursacht durch Umsatzeinbrüche oder wegfallende Geschäftsmodelle. Da in Deutschland Hilfsmaßnahmen wie Förderkredite über Hausbanken vergeben wurden, waren temporäre Reorganisationen innerhalb von Banken, zusätzlich zu Remote-Work, zu beobachten.
In dem Segment der Fintech-Start-ups wurde die Abhängigkeit der Start-ups von ihren Investoren schnell deutlich. Im Rahmen einer Weltwirtschaftskrise befürchteten viele VC-Funds, dass ihnen selbst das Funding erschwert werden würde. Sie reagierten mit der Taktik, die eigenen Portfolio-Unternehmen zu stärken und nicht weitere Portfolio-Start-ups aufzunehmen. Für viele Start-ups bedeutete das einen Strategieschwenk, nämlich weg vom Kurs auf Wachstum und Marktanteile und hin zu Profitabilität. Für Deutschland lässt sich rund um das Thema Finanzierungsvolumen für Fintechs erstmals seit fünf Jahren ein Einbruch erkennen. Auch in absoluten Zahlen neugegründeter Fintechs bedeutet dies einen Tiefpunkt. Siehe dazu auch die folgende Infografik aus der aktuellen Fintech-Studie der comdirect Bank:

Comdirect Studie Fintech Profil Deutschland
Fintech Report 2020 von comdirect & main incubator

Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Fintech-Start-ups …

… sind abhängig von deren Geschäftsmodell und reichen von positiv bis negativ:

Gewinner der Krise sind Fintechs wie Trade Republic, die sich wie Justtrade, Scalable Capital, Bux, Lynx, Smartbroker oder Gratisbroker in die Kategorie der Neo-Broker einordnen lassen. Sie richten sich an Kleinanleger und bieten ein Wertpapierdepot, meist basierend auf einer Mobile-App, mit der Wertpapiere ge- und verkauft werden können, und das zu vergleichsweise geringen oder gar keinen Gebühren. Diese Kategorie hat in diesem Jahr ein erstaunliches Wachstum erzielen können, was sicherlich auch in Zusammenhang mit der Pandemie steht. Kontaktbehaftete Broker, wie in einer Bankfiliale, sehen neben diesen Apps natürlich alt aus, in einer Zeit, in der soziale Kontakte gemieden werden.

Clas Beese in einem Kommentar zur Corona Pandemie und die Fintech Branche

Aber auch der Börsen-Crash in der ersten Welle und die rasche Erholung in den Monaten danach haben bei vielen Kleinanlegern eine Fear of Missing Out hinterlassen.

Und Verlierer der Krise sind beispielsweise Start-ups wie Monedo, lange Zeit bekannt als Kreditech. Ursprünglich angetreten, um mit Big Data und künstlicher Intelligenz Credit-Scoring für Dritte zu machen, mussten diese Pläne bei einem Pivot beendet werden. Das Geschäftsmodell wurde auf Payday-Lending fokussiert, also ultrakurzzeit Kredite mit sehr kleinen Kreditvolumen. Von Kritikern wurde es als ethisch bedenklich eingestuft, Verbrauchern kleinste und kurzfristige Kredite zu vergeben. Üblich seien Summen bis 1.000 Euro und Laufzeiten von einem Monat. In der Praxis könnten viele Kreditnehmer die Kredite nicht tilgen, sondern müssten jeden Monat einen neuen Kredit aufnehmen, um den alten ablösen zu können. An den Bearbeitungsgebühren, nicht an den Zinsen, würden Anbieter ganz gut verdienen.

Monedo betrieb dieses Geschäft nicht in Deutschland, aber beispielsweise in Spanien. Spanien ist von den gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Pandemie besonders hart betroffen. Um diese Folgen abzumildern, beschloss die spanische Regierung, dass Kreditnehmer ihre Ratenzahlungen bei Krediten stunden dürfen. Damit brach das Geschäftsmodell von Monedo zusammen, das ja von den Gebühren von immer neu abzuschließenden Krediten lebte. Monedo meldete im Herbst 2020 Insolvenz an.

Weitere Auswirkungen der Krise

Ein weiteres Beispiel für negative Auswirkungen der Krise ist das Digital-Payment-Unternehmen Sumup. In der Krise wurden Verbraucher dazu aufgefordert, auf Bargeldzahlungen zu verzichten und vermehrt mit Karte zu zahlen und das möglichst kontaktlos. Auch wenn sich diese Vorsichtsmaßnahme vermutlich als wissenschaftlich unbegründet herausstellen wird, stieg der Anteil der kontaktlosen Zahlungen in Deutschland deutlich an. Auch weil die Kreditkartenanbieter die Gunst der Stunde nutzten und das Limit für kontaktlose Kartenzahlungen auf 50 Euro verdoppelten, ohne eine öffentliche Diskussion loszubrechen.

Oder Sumup: Das Unternehmen bietet kleinen und mittleren Unternehmen Zahlungsterminals an, damit diese von ihren Kunden Kartenzahlungen akzeptieren können. Die Terminals werden mit Smartphones oder Tablets verbunden, sind sehr günstig und das ohne monatliche Fixkosten. Entsprechend stark war das Wachstum von Sumup in den letzten Jahren. Und dieses Wachstum wurde jäh gestoppt; obwohl Kartenzahlungen zunahmen, erlitt der stationäre Handel starke Umsatzeinbrüche. Sowohl durch Kontaktbeschränkungen als auch durch die weiter zunehmende Attraktivität des Distanzhandels.