finletter 386 – Deutschlands Zahlungsmittel, Erfolge für Trade Republic, Krypto-Winter

Gunnar Hassel
Gunnar Hassel

Wer zahlt wie?

Die Akzeptanz bargeldloser Zahlungen im Einzelhandel gilt ja geradezu als Gradmesser für den Stand der Digitalisierung eines Landes. Deutschland hinkt hier im Vergleich zu etwa den skandinavischen, aber auch vielen weiteren Ländern seit Langem hinterher. Nun geben erneut eine Reihe Studien und Umfragen Aufschluss zum „German State of Payment“.

Und siehe da: Es tut sich etwas. Durch alle Datenerhebungen zieht sich ein roter Faden hin zu neuen, digitalen Zahlungswegen – und tendenziell weg vom Bargeld.

Zwei Headlines:

Payone-Zahlungsmittel-Verbraucherumfrage: Endkonsumenten treiben Handel vor sich her (siehe News Wochenendlektüre)

Payment-Befragung von Concardis: Männer und Frauen zahlen unterschiedlich (pressebox.de)

Die Richtung ist also klar – doch im Detail werden Unterschiede deutlich. Ein Beispiel: In der Concardis-Umfrage gaben junge Frauen deutlich häufiger als junge Männer an, im Geschäft lieber mit Karte zu zahlen. Letztere setzen an der Ladenkasse dafür signifikant eher ihr Smartphone ein. Was dahinter steckt, erschließt sich (mir) ehrlich gesagt nicht sofort (und auch nicht nach längerem Grübeln).

Vor allem, weil sich dieses Verhältnis bei älteren Altersgruppen in Bezug auf den Karteneinsatz umkehrt. Bei den über 65-Jährigen bezahlen laut Umfrage 53 Prozent der Männer am liebsten mit Karte und nur noch 41 Prozent der Frauen.

Etwas ernüchternd wird es dann – zumindest aus Sicht der Bargeldlos-Enthusiasten – bei der Frage nach einer komplett bargeldfreien Gesellschaft. Diese können sich generationenübergreifend jeweils nur ein Drittel der Männer und Frauen vorstellen.

Schon diese wenigen Beispiele aus wiederum einer kleinen Auswahl aktueller Umfragen und Studien zeigt also: Die eine Bezahllösung für alle wird es auch in Zukunft ebenso wenig geben, wie den einen Point-of-Sale. Für Fintechs bieten sich also weiterhin jede Menge Geschäftsmodelle. Und eine gelungene Payment-Orchestrierung bleibt ein wichtiger Erfolgsfaktor – ob online oder im Einzelhandel.

Auch beim Angebot von Zahlungswegen ist also gut beraten, wer entweder für jeden die passende Lösung anbietet – oder sich perfekt auf die Bedürfnisse seiner eigenen Zielgruppe einstellt. Der Apple-Reseller und Elektronikfachhändler Gravis scheint für sich bereits Antworten gefunden zu haben: Bargeldzahlungen sind in den Läden der Kette ab sofort nicht mehr möglich. (siehe unsere News unter Fintech-News Deutschland)


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Krypto, Bitcoin, Blockchain – war’s das jetzt?
Nein – Krypto ist mehr als ein Anlagehype oder -Crash. Krypto ist eine Technologie für Business-Modelle der Zukunft. Doch wie genau können diese aussehen und welche Use Cases gibt es schon? Infos: live.handelsblatt.com/crypto-finance


– Fintech-News Deutschland –

Trade Republic mit beeindruckenden Zahlen: Mit 100 Millionen Euro Umsatz konnte das Berliner Fintech Trade Republic seine Erträge im Geschäftsjahr 2021 verdreifachen. Gleichzeitig zogen im selben Zeitraum allerdings auch die Verluste kräftig an. Von zehn Millionen im Vorjahr ging es rauf auf 35 Millionen Euro. Die aktuelle Bewertung des Neobrokers liegt bei über fünf Milliarden Euro. businessinsider.de financefwd.com

Bafin vs. Solaris: Die Finanzaufsichtsbehörde legt dem Berliner Fintech Ketten für das Neugeschäft an. Aufgrund andauernder Schwachstellen besteht aktuell die Auflage, für neue Kunden jeweils eine Erlaubnis einzuholen. Solaris-Chef Carsten Höltkemeyer blickt dennoch positiv in die Zukunft. handelsblatt.com (Paywall – erste Artikel frei) businessinsider.de

N26 ermöglicht Krypto-Trading: Dank einer Kooperation mit der Kryptobörse Bitpanda können Kund:innen der Berliner Challengerbank nun via N26-App Kryptowährungen kaufen und verkaufen. Nach einem offensichtlich erfolgreichen Test in Österreich sind jetzt neben Deutschland auch die Schweiz, Belgien, Portugal und Irland dabei. it-finanzmagazin.de kreditwesen.de

Auch wichtig:

+++ Der finnische Lieferservice Wolt setzt auf dem deutschen Markt ab sofort auf die Dienste des schwedischen Paymentriesen Klarna. Wolt-Kund:innen in Deutschland können dadurch in Kürze zum Beispiel alle Wolt-Einkäufe in einer automatischen monatlichen Zahlung bündeln und so Bestellungen in einer Transaktion bezahlen. Dabei fallen weder Zinsen noch versteckte Gebühren an. klarna.com +++ Neben den oben genannten Umsatz- (und Verlust-)Zahlen veröffentlichte Neobroker Trade Republic zuletzt auch sein Angebot von zwei Prozent Zinsen auf die Depotguthaben seiner Kund:innen. Mehr als eine Milliarde Euro neue Anlegergelder soll die Marketingaktion bisher eingebracht haben. financefwd.com +++ Einen Exit legt Compeon, die Kreditvermittlungsplattform für KMUs hin. Das zuletzt mit 50 Millionen Euro bewertete Düsseldorfer Unternehmen wurde vom Münchner Fintech Dock Financial übernommen. financefwd.com +++ Apple-Reseller Gravis lässt nur noch bargeldlos bezahlen. Als Begründung nannte die Elektronikhandelskette die geringe Nachfrage nach der Zahlungsmethode. Die Kund:innen hätten bargeldloses Zahlen schlichtweg akzeptiert. Kosten dürfte die Anpassung auch sparen, wie diese t3n-Analyse beschreibt. +++

 

– Neue Finanzierungsrunden –

+++ Die Steuer-App Zasta erhält 60 Millionen Euro als Kreditlinie. Partner ist die Vereinigte Volksbank, bekannt als Finanzierer weiterer Fintechs, darunter Mondu, Ratepay und Billie. Mit dem Geld setzt Zasta sein Geschäftsmodell um, berechnete Steuererstattungen vorab zu 75 Prozent an seine Kund:innen auszuzahlen. financefwd.com businessinsider.de +++ Das schwedische Verbraucherkredite-Fintech Anyfin hat in einer Series-C Finanzierungsrunde 30 Millionen Euro eingesammelt. Mit dem frischen Kapitel sollen Produktpalette und Technologie weiterentwickelt und ausgebaut werden. paymentandbanking.com +++ Positive News aus der „Buy Now, Pay Later“-Sparte: Das in der Region Mittlerer Osten und Nordafrika (MENA) ansässige Fintech Tabby hat unter der Führung von Sequoia Capital India und STV 58 Millionen US-Dollar erhalten. Die Bewertung betrug dabei 660 Millionen US-Dollar. techcrunch.com+++

 

– Neue Podcast-Folgen –

+++ In der aktuellen Podcast-Folge von Alles Coin Nichts Muss sprechen Julius Nagel und Florian Adomeit über den 5-Milliarden-Dollar-Fund bei der Pleite-Kryptobörse FTX und weitere aktuelle Themen der Kryptowelt. Und da ist bekanntlich derzeit jede Menge los… +++ Im FinanceFWD-Podcast begrüßt Host Caspar Schlenk in dieser Woche Interhyp- und Finanztip-Gründer Marcus Wohldorf. Der spricht über die Krise der Baufinanzierung, seine Vision für Finanztip und eine verpasste Milliarden-Wette. +++ Das Jahr 2023 ist nicht allzu alt, es darf also noch zurückgeschaut werden. Das tun André Bajorat und Jochen Siegert in dieser Payment & Banking FinTech Podcast Folge in gewohnt analytischer und unterhaltsamer Form. Der Titel sagt alles: ‚Der Fintech News-Rückblick: Das war 2022‘. +++ Gleich nochmal Payment & Banking, diesmal aber der Podcast Bitcoin, Fiat & Rock ’n‘ Roll. Hier gibt es eine intensive Diskussion zwischen den Gästen Mauricio Vargas, Ökonom bei Greenpeace, und Jesse, Experte für Energiewirtschaft, rund um das Thema Bitcoins Energieverbrauch: Problem oder Chance? +++

 

– News International –

Crypto.com baut 1000 weitere Stellen ab: Der sogenannte Krypto-Winter hält an – diesmal ist der Anbieter von Kryptowährungen mit Sitz in Singapur an der Reihe. Crypto.com baut die Belegschaft um weitere 20 Prozent ab. Mit aktuell laut eigener Aussage weltweit 70 Millionen Nutzer:innen gehört Cypto.com zwar weiterhin zu den größten Anbietern, leidet aber immens unter dem Einruch des Kryptohandels. Insbesondere der FTX-Kollaps habe das Vertrauen in die Branche stark beschädigt, so CEO Kris Marszalak. trendingtopics.eu

Frank-Gründerin Charlie Javice angeklagt: Weil die heute 30-Jährige vier Millionen Kundenkonten ihres New Yorker Fintechs erfunden haben soll, steht sie nun vor Gericht. Aufgefallen waren die Unregelmäßigkeiten im Rahmen der Übernahme durch die Großbank JP Morgan Chase. Nun geht es auch um die Rückabwicklung des 175-Millionen-Dollar-Deals. t3n.de

FTX-Pleite und die gerichtlichen Folgen: Weiterhin kommt es beinahe täglich zu neuen Entwicklungen rund um den angeklagten Ex-FTX-CEO Sam Bankman-Fried (SBF) und den Kollaps der von ihm gegründeten Kryptobörse. Zuletzt wurde rund um den Insolvenzprozess bekannt, dass Kryptotoken im Wert von 415 Millionen US-Dollar bei Hackingangriffen gestohlen worden sein sollen. SBF fand rund um die veröffentlichten Bilanzposten einen Ansatz zur Verteidigung und nannte sie irreführend. Die Suche nach den Einlagen der FTX-Kund:innen geht indes weiter. Bis zu 65 Milliarden US-Dollar sollen in unterschiedliche Kanäle geflossen sein. manager-magazin.de t3n.de

 

– Über den Tellerrand: Tech-Giant-News für die Finanzbranche –

Apple Card sorgt für Milliarden-Verlust: Die US-Investmentbank Goldman Sachs hat spannende Zahlen zu ihrer Fintech-Sparte bekanntgegeben. Seit Anfang 2020 seien drei Milliarden US-Dollar in den Bereich geflossen. Das langfristig ausgelegte Fintech-Engagement sorgt allerdings für steigende Verluste. So soll bei den Platform Solutions vor allem die Apple Card zu etwa 1,2 Milliarden US-Dollar Verlust beigetragen haben. Zu schnelles Wachstum und damit verbundene Forderungen aus strittigen Transaktionen sollen der Grund sein. t3n.de altfi.com

 

– Treffpunkte –

CRIF.Digital Week: Die kostenlose Webinar-Reihe behandelt unter anderem die Themen Digital Onboarding, Open Banking, Open Finance, Metaverse, Embedded Finance, Beyond Banking und Nachhaltigkeit. 30. Januar bis 6. Februar, online

Frankfurt Digital Finance: In einer Zeit des Wandels und großer Unsicherheit versammelt die #FDF2023 die wichtigsten Marktteilnehmer des europäischen Ökosystems für digitale Finanzen. Ein Fokus liegt auf den Frauen in der Fintech-Branche. 8. Februar, Frankfurt am Main

Mehr Veranstaltungen zu Fintech findet ihr im Event-Kalender auf finletter.de. Hier könnt ihr uns Tipps für Events geben.

 

– Wochenendlektüre –

State of Fintech 2022: CBS Insights hat seinen neuen, 178-seitigen Report zur Lage am Fintech-Markt veröffentlicht. Eine der Kernaussage: Die weltweite Fintech-Investitionstätigkeit ging im Jahr 2022 stetig zurück, wobei die Finanzierungen gegenüber dem Rekordniveau von 2021 um 46 Prozent sanken. Hier gibt es weitere Auszüge und die Möglichkeit zum Download des kompletten datengestützen Reports: cbinsights.com

Die Finanzbranche und das Web3: In diesem Gastkommentar im Handelsblatt rät Isabell Welpe der Finanzbranche, möglichst schnell einer eigenen Web3-Strategie zu folgen. Laut der Professorin für Betriebswirtschaft, die Strategie und Organisation an der Technischen Universität München lehrt, sollte die Ausrichtung der Geschäftsmodelle von der Plattformökonomie in Richtung Web3 geändert werden. handelsblatt.com (Paywall – erste Artikel frei)

Verbraucherumfrage zu Zahlgewohnheiten: Payone, das Payment-Joint-Venture des europäischen Marktführers Worldline und der DSV-Gruppe, als Kompetenzzentrum innerhalb der Sparkassen-Finanzgruppe, hat repräsentative Zahlen in Deutschland und Österreich eingeholt. Das Ergebnis: Der Trend zu immer größerer Akzeptanz digitaler Zahlungsmethoden ist nicht mehr umzukehren. presseportal.de

Buy Now, Pay Later: Zuletzt machten die in den vergangenen Jahren gehypten BNPL-Fintechs eher durch Stellenabbau und Verluste auf sich aufmerksam. Die vor allem bei jungen Generationen gern genutzten Angebote nach dem Prinzip „Jetzt kaufen, aber erst später bezahlen“ stehen zudem weiter in der Kritik durch den Verbraucherschutz. In diesem langen Lesestück wird das Thema noch einmal ausführlich ausgerollt. Das Fazit des Autors: Diese Blase droht zu platzen, weil die Kreditform riskanter ist als sie scheint. theatlantic.com (Paywall – erste Artikel frei)

Strategische Herausforderungen für Banken und Sparkassen 2023: Prof. Dr. Jürgen Moormann untersucht die strategischen Herausforderungen für Finanzinstitute im neuen Jahr. Fast alle hängen zudem mit dem Megatrend der Digitalisierung zusammen. der-bank-blog.de [gesponsert]

 

– Das Beste zum Schluss –

Das C-Level im Emo-Rausch: Bei unserem hin und wieder nicht ganz ernst gemeinten finletter-Abschluss gibt es diesmal etwas für Gründer:innen und die Start-up-Führungsebene. Der Beitrag zeigt neue, teils absurde, teils hinreißende Jobzeichnungen mit Chief davor und erklärt, warum dich auch ein Chief Happiness Officer feuern oder mies behandeln kann. businessinsider.de