Die Neujahrs-Rede des Bafin-Chefs kam nicht gut an in der Fintech-Szene. Darin erteilte er der Regulatorischen Sandkiste aus Sicht seiner Aufsicht eine klare Absage. Inklusive sprachlichem Ausrutscher: „Wie verhält sich eine Aufsicht, wenn ein Fintech, das sie zuvor in ihrem Sandkasten umsorgt hat, seine Kunden nicht so behandelt, wie es sollte? (…) Eimerchen und Schippchen bereitstellen?“ Wie ein Papa, der seine Kinder tadelt. Kein Wunder, dass die Kinder rebellieren. Dass das passieren würde, hätte jeder Redenschreiber wissen müssen, der schon einmal von der Transaktionsanalyse gehört hat.
Was man jedoch machen sollte, wenn man wie ein Kind behandelt wird: sich nicht wie ein Kind verhalten! Also diskutieren wir bitte sachlich weiter.
Regulatorische Sandkiste – der Begriff
Dass Felix Hufeld den Sandkasten mit seinen „Eimerchen und Schippchen“ ins Lächerliche gezogen hat, offenbar ein kulturelles Missverständnis. Hier treffen zwei Welten aufeinander, in denen der Begriff einfach grundsätzlich unterschiedlich besetzt ist: die alte, in der Banker möglichst wenig Fehler machen sollen und unter anderem deswegen reguliert werden. Und die der Fintechs, die häufig – aber nicht zwangsläufig – Start-ups sind. Und die sich meistens Nischen im Finanzmarkt suchen und einen sehr starken Fokus auf den Kunden haben, auf dessen Bedürfnisse und mögliche Lösungen, um ihm das Finanzleben einfacher zu machen.
Für Start-ups entstehen Innovationen durch Ausprobieren: Idee, Prototyp, Testen, Auswerten und wieder von vorne. Ein ganz normaler Gründungsprozess wird in der Finanzbranche wahnsinnig teuer und langwierig – aufgrund der Regulierung. Ideen entwickelt man am Besten spielerisch, nicht mit einer Checkliste vom Qualitätsmanagement. Deswegen ist eine Sandkiste bei Fintechs auch postiv besetzt. Bei Banken und Regulierern wohl eher nicht. Beim Bau von Sandburgen werden die Bauvorschriften nicht eingehalten. Schrecklich! Unmöglich!
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Gute Gründe für eine Regulierung
Es geht in dieser Diskussion nicht um Gerechtigkeit. Es geht bei Regulierung nicht darum, die Spielregeln festzulegen, wie etablierte und neue Player miteinander umgehen. Regulierung ist notwendig, da der Markt versagt: Der Wissenunterschied ist groß. Die Finanzbildung der Verbraucher ist miserabel. Da besteht die Gefahr, dass ihnen irgendwas etwas verkauft wird, nur nicht das geeignetste Produkt.
Unsere Banken und Versicherungen sind groß, sehr groß. „Too big to fail“ – das haben wir spätestens mit der Finanzkrise 2008 gelernt. Und sie neigen dazu, die Gewinne in guten Zeiten zu privatisieren, aber in der Krise die Verluste umzulegen. Ich bin froh, dass die Steuerzahler das nicht einfach mit sich machen lassen und wir eine Regulierung haben.
Die wichtigsten Gründe für eine Finanzmarktregulierung sind also Verbraucherschutz und Schutz vor zu risikoreichen Management-Dynamiken in den Banken und Versicherungen.
Regulatorische Sandkiste vs. Level Playing Field
Kein guter Grund für eine Regulierung ist Besitzstandswahrung. Sie wird aber gerne als Schutzschild von Banken herangezogen. Der Bankenverband fordert beispiels Level-Playing Fields, also gleiche Rahmenbedingungen für alle. Klingt erstmal gut, gerecht, nachvollziehbar. Ist es aber nicht. Es geht bei der Regulierung nicht um die Spielregeln, siehe oben.
Und es ist ja nicht so, dass Fintechs nicht reguliert würden. Ich hatte auch bis Ende des letzten Jahres ein Fintech, das komplett reguliert war. Das haben wir zwar mangels Erfolg wieder aufgegeben, aber wir hatten immerhin eine Bank angedockt und unterlagen somit den kompletten Prozessen der Bafin-Aufsicht. Das war für uns als Start-up die größte Investition, neben der Entwicklung der Software. Insofern kann ich den Impuls gut nachvollziehen, die Regulierung als Schutzschild zu verwenden. „So, die Hürde haben wir genommen. Das soll uns der nächste erstmal nachmachen.“ Da steckt ein bisschen Freude darüber drin, dass die Konkurrenz noch Eintrittshürden vor sich hat, die man selbst schon geschafft hat. Diesen Gedanken haben nicht nur etablierte Player, sondern auch Start-ups.
Bei einer Regulatorischen Sandkiste nun geht es darum, die Kosten für das Ausprobieren von Fintech-Prototypen zu senken. Für alle, die etwas ausprobieren. Das sind zwar überwiegend Start-ups oder Branchenfremde, aber natürlich auch Banken und Versicherungen. Hey, dann macht doch mit! Wer sagt denn, dass die Sandkiste nur was für Start-ups ist? Wenn die Regulierung schon für alle ist, dann auch die Sandkiste!
Denn das ständige Testen ist der Schlüssel. Je mehr wir ausprobieren, desto mehr lernen wir. Und umso wahrscheinlicher ist es auch, dass darunter die gute Ideen sind, aus denen die nächsten großen Player der Branche werden. Und das wiederum ist wichtig, weil wir in Deutschland uns längst in einem internationalen Standortwettbewerb befinden.
Standortwettbewerb
Die Finanzdienstleistung von morgen wird nicht in der Filiale stattfinden und auch nicht beim Versicherungsladen an der Straßenecke. Sie wird auf irgendwelchen digitalen Kanälen zum Kunden kommen und der Kunde auf denselben Wegen zum Anbieter. Gründe für die Nutzung sind Preis, Bequemlichkeit und der persönliche Nutzen. Und nicht der kürzeste Weg zu einer Filiale oder gar Kundenloyalität. In der Welt von morgen gibt es kaum noch Standortvorteile durch physische Filialnetze mehr. Regulierung hingegen ist für Start-ups ein Standortfaktor.
Natürlich sage ich das als Start-up-Gründer, der gerade sein erstes Fintech beerdigt hat. Klar hab ich viel gelernt, aber es war auch sauteuer. Und so teuer hätte es nicht sein müssen. In einer Regulatorischen Sandkiste hätten wir für das gleiche Geld deutlich mehr Versuche gehabt. Fest steht: Mein nächstes Start-up wird wieder Fintech. Dann vielleicht doch nicht in Hamburg, sondern eher in London. Dort wird es nämlich eine Sandkiste geben.