Banken müssen zu Mehrwert-Ökosystemen werden

Friedrich Kersting
Friedrich Kersting

Seit jeher konzentrieren sich Banken darauf, einmal geköderten Kunden margenstarke Hausprodukte zu verkaufen. Bei den tradierten Instituten geschieht dies noch über die klassischen Vertriebskanäle, bei den vermeintlich Innovativen online. Alter Wein in digitalen Schläuchen!

Aber wollen die Kunden wirklich vorrangig Bankprodukte? Und lösen die von den Banken so gepriesenen Gadgets wie Finanzplaner, Übersichten zum Ausgabenverhalten, Finanzinformationen und Analysemöglichkeiten wirklich Begeisterung aus? Oder lösen sie gar Probleme? Erhebliche Zweifel sind angebracht! Es wäre wohl besser, wenn es den Banken vor allem darum ginge, was die Kunden brauchen.

Was brauchen die Kunden?

Die meisten KMUs brauchen zum Beispiel kein weiteres Konto. Davon haben sie in der Regel schon drei bis vier. Sie haben aber meist keine eigene IT-Abteilung. Warum also unterstützen Banken, die sich hervortun möchten, Geschäftskunden nicht auch beim Zugang zu digitalen Funktionen oder „as a service“-Anwendungen und helfen den KMUs so, ihr Wachstum zu beschleunigen? Warum erhalten Immobilienkäufer neben der Hypothek nicht auch noch den meist dringend erforderlichen Zugang zu guten Handwerkern? Und Senioren nicht die notwendige Vernetzung mit vertrauenswürdigen Pflege- und Betreuungsdienstleistern? Selbständige schließlich würden sich bestimmt über Unterstützung bei den großen Stressfaktoren Vertrieb, Buchhaltung und Steuern freuen.

Es gäbe unzählige Möglichkeiten für Banken, sich vom üblichen produktlastigen Angebot zu differenzieren. Die Banken müssten sich einfach darauf konzentrieren, die tatsächlichen Kundenbedürfnisse zu erkennen und zu bedienen. Mit ausgesuchten Angeboten Dritter und auf für den Kunden einfachste, bequemste und effizienteste Weise.

Rennen um die Kunden ist eröffnet

Die Bank, die es als erste schafft, solche themenbezogenen „Mehrwert-Ökosysteme“ anzubieten, wäre nicht nur für Neukunden deutlich attraktiver. Sie würde auch mit deutlich zufriedeneren Bestandskunden zusätzliche Erträge generieren. Sie würde wertvolle Erkenntnisse über die Kunden erlangen, weitere Gesprächsanlässe schaffen und sich vollkommen neu als echter Partner und Unterstützer des Kunden positionieren – und damit bei ihm Begeisterung, Dankbarkeit und langjährige Verbundenheit auslösen!

Diese Emotionen rufen Banken derzeit bei den wenigsten Kunden hervor – ganz im Gegenteil. Dementsprechend sinkt die Loyalität der Kunden kontinuierlich. Den meisten wird es daher letztlich herzlich egal sein wird, wer zukünftig ihre gestiegenen Erwartungen erfüllt und ihnen diese Mehrwerte gebündelt zur Verfügung stellt. Der Schnellste gewinnt.

Die Wettbewerber der Banken stehen schon in den Startlöchern: N26 und Co. stellen bereits nach dem skizzierten Baukastenprinzip Lösungen Dritter zusammen und bieten sie nahtlos über ihre Benutzeroberfläche an. Noch beschränken sie sich dabei auf banknahe Themen, „beyond banking“ wird aber kommen. Und Check24 und Verivox haben sich bereits erfolgreich als erste Anlaufstelle zu vielen banknahen und -fernen Themen positioniert. Sie dürften sich von der reinen Vergleichsplattform zum „Lösungsbündler“ weiterentwickeln und die Kundenschnittstelle übernehmen wollen. Ähnliche Ambitionen kann man auch Amazon und Co. unterstellen.

Friedrich-W. Kersting auf finletter über ein Mehrwert-Ökosystem in Banken

Banken sind in der Pole Position – noch!

Gegenüber diesen ernstzunehmenden Herausforderern haben die Banken lediglich aufgrund ihrer starken und vertrauenserweckenden Marken noch einen gewissen Vorsprung. Den gilt es jedoch zeitnah zu nutzen.

Bei den Firmenkunden, denen es schon immer vor allem um konkrete Vorteile geht, werden erfreulicherweise die ersten Vorreiter aktiv: Die Deutsche Bank bietet großen Mittelständlern ein „Mehrwert-Ökosystem“ an, die Berliner Volksbank und die Düsseldorfer Sparkasse stehen KMUs demnächst auch in bankfernen Themen zur Seite, und die Schweizer PostFinance unterstützt Firmengründer umfassend.

Solche Initiativen braucht es ebenfalls im Privatkundensegment. Denn auch diesen Kunden wird es auf Dauer nicht reichen, mit einer schicken App Bankgeschäfte per Smartphone im Café zu erledigen. Auch sie wollen umfassende Lösungen statt nur Convenience.