Von Martina Palte
Für europäische Fintechs ist London der „place to be“. Kein Wunder. Die britische Hauptstadt gilt als Start-up-Schmiede Nummer eins und lockt mit attraktiven Rahmenbedingungen wie gelockerten Regularien. Deutschland ist da nur zweite Wahl.
Die Frage ist, wie lange das noch so ist. Denn die deutsche Fintech-Szene wächst beachtlich. Allein in den vergangenen zwei Jahren um 60 Prozent. 2015 wurde in Deutschland fast jeden zweiten Tag ein Fintech gegründet. Mittlerweile beheimatet die Bundesrepublik rund 550 Jungunternehmen aus der Finanzbranche.
Das Potenzial ist also enorm. Und auch 2017 wird für die Szene ein spannendes Jahr werden – davon bin ich überzeugt. Vier Punkte sind dafür aus meiner Sicht entscheidend:
1. Größerer Fokus auf das B2B-Geschäft
Der Markt für Finanzlösungen für Endverbraucher ist von Wettbewerbern hart umkämpft. Daher werden immer mehr Finanz-Start-ups ihr Geschäftsmodell überdenken und ihren Fokus auf das B2B-Segment verlagern.
Für Banken und Fintechs eine Win-Win-Situation. In Form von sogenannten Whitelabel-Lösungen stellen Jungunternehmen ihre innovativen Technologien uns Banken zur Verfügung. Dafür erhalten sie die Marktkenntnis und den Erfahrungsschatz der Banken. Und auch der Kunde profitiert – dank einer weiteren Optimierung der Prozesse und einem verbesserten Produktangebot.
2. Mehr Coopetition – weniger Diskussionen
Unausweichlich ist dabei ein Konzept, das wir uns als comdirect auf die Fahnen geschrieben haben: Coopetition. Fintechs sind für uns Partner und Konkurrent zugleich. Gegenseitig spornen wir uns zu neuen Höchstleistungen an und vereinen das Beste aus beiden Welten.
Eigentlich ist das längst eine Selbstverständlichkeit. Mein Wunsch für 2017 ist daher: Lasst uns aufhören, über das Für und Wider von Coopetition zu diskutieren, sondern gemeinsam diesen Begriff mit Leben erfüllen.
3. Die Konsolidierung wird voranschreiten
Der deutsche Markt für Fintechs wird sich weiter festigen, einige Unternehmen werden sich als ernstzunehmende Wettbewerber etablieren. Dies haben auch die beeindruckenden VC-Finanzierungsrunden einiger Fintechs in jüngster Zeit bewiesen.
Die Zahlen unserer aktuellen Fintech-Studie bestätigen diese Entwicklung: Mit 49 Neugründungen im laufenden Jahr nimmt die Gründungsdynamik gegenüber dem Vorjahr etwas ab. In Sachen Wagniskapital kann die Szene 2016 hingegen ein Rekordjahr verzeichnen. Mit 507 Millionen Euro wurde bis September bereits mehr Eigenkapital investiert als im gesamten Vorjahr. Insgesamt konnte der deutsche Fintech-Sektor seit 2012 1,3 Milliarden Euro einsammeln. Damit wurde die magische Grenze von einer Milliarde geknackt.
4. Berlin wird an Dominanz verlieren
Mit 179 angesiedelten Finanz-Start-ups und insgesamt 734 Millionen Euro, die seit 2012 in Berliner Jungunternehmen flossen, spielt die Bundeshauptstadt ohne Frage in einer anderen Liga. Doch die Finanzlandschaft ist in Bewegung. Berlin wird etwas an Dominanz verlieren, während andere Start-up-Schmieden wie Frankfurt, München und Hamburg aufholen. Die stärkste Wachstumsdynamik verzeichnet Fintech am Finanzplatz Frankfurt mit einem Plus von 115 Prozent. Aber auch München und Hamburg legen weiter zu.
Letztendlich ist es aber auch nicht wichtig, welche Stadt sich behaupten kann. Es geht darum, wie wir es gemeinsam schaffen, Innovationen voranzutreiben – und damit Bank neu zu denken.