Bank neu denken #2: Was Banken von WeChat lernen können

Von Martina Palte

Würden Sie Ihre Kreditkartendaten bei einem Messenger-Dienst hinterlegen und sogar mit einer solchen App bezahlen? Wahrscheinlich eher nicht. In China ist diese Art des Bezahlens dank WeChat bereits auf dem Vormarsch. Die App hat eine beeindruckende Entwicklung hingelegt: vom reinen Messenger zur universellen Alpha-App. WeChat schafft das, wovon andere große Player wie Facebook noch weit entfernt sind: Der Nachrichtendienst deckt das gesamte Leben der Nutzer ab. Vom Nachrichten Schreiben und Kontakt zu Freunden über Einkaufen bis hin zum Banking. Letzteres ist gerade für uns als Bank ein spannender Aspekt. Denn die Zahlen des aktuellen „WeChat impact reports“ sprechen für sich: Von den rund 700 Millionen monatlich aktiven Usern nutzt jeder Dritte die App für mobiles Bezahlen.

Die Zukunft ist digital, einfach und bequem

Martina Palte
Martina Palte ist Vorstandsmitglied der comdirect bank AG. Zu ihren Themenschwerpunkten gehören die Aktienkultur in Deutschland, das Arbeiten der Zukunft und Customer Interaction.

WeChat gewährt uns einen Einblick in die Zukunft: Sie wird noch digitaler, einfacher und bequemer. Die Menschen wollen nicht zwischen verschiedenen Apps hin- und herwechseln und sich in unterschiedliche Bereiche einloggen. Sie wollen alles jederzeit und sofort.

Daher überrascht es mich nicht, dass auch in Deutschland einige Unternehmen den Schritt in ungewohntes Terrain wagen. Es wäre allerdings zu kurz gegriffen, diese Entwicklung allein mit den veränderten Kundenbedürfnissen zu begründen. In den meisten Fällen sind schlichtweg Probleme im Kerngeschäft ausschlaggebend dafür, dass die Unternehmen nach alternativen Ertragsfeldern suchen. Hinzu kommt die Konkurrenz durch neue Anbieter, die auf den Markt drängen.

Ein gutes Beispiel dafür ist Lufthansa. Das Unternehmen bietet längst nicht mehr nur Flugreisen an, mit denen sich angesichts des harten Konkurrenz- und damit Preisdrucks ohnehin kaum noch Geld verdienen lässt. „Weil die Reise nicht am Flughafen endet“, vermittelt die Fluggesellschaft mittlerweile auch Hotels und Mietwagen an ihre Kunden – die nebenbei auch noch Meilen sammeln können. Lufthansa erhofft sich dadurch neue Ertragsquellen in anderen Bereichen – und möchte ihre Kunden durch vor- und nachgelagerte Mehrwert-Leistungen noch stärker an sich binden.

Ein anderes Beispiel ist der Mobilfunkanbieter o2. Auch in der Mobilfunkbranche wird das klassische Kerngeschäft zunehmend unrentabel. Neue Anbieter und ein verändertes Kundenverhalten machen den etablierten Firmen das Leben schwer. Daher ist o2 auf der Suche nach neuen Ertragsfeldern und unter anderem ins Bankgeschäft eingestiegen. Per App können die Kunden ein Konto eröffnen und dann über ihr Smartphone Geld transferieren. Das Unternehmen lockt dabei mit einem ungewöhnlichen Angebot: Statt Zinsen gibt es Megabytes für das Datenvolumen.

Unterschiedliche Lebensbereiche verbinden

Ein Blick über den Tellerrand lohnt sich. Nein, ich denke, er ist sogar notwendig. Das gilt gerade auch für Banken. Denn die Herausforderungen, die durch den Druck auf das Kerngeschäft, neue Wettbewerber und ein verändertes Kundenverhalten entstehen, sind in kaum einer anderen Branche so hoch wie in der Finanzwirtschaft.

Trotzdem sind es zumindest in Europa meist branchenfremde Anbieter, die in das Bankgeschäft drängen, anstatt Banken, die sich andere Tätigkeitsbereiche außerhalb ihrer Branche suchen. Dabei sind Banken gut beraten, diese Option zumindest in Betracht zu ziehen. Und zwar nicht nur, um sich Ertragsquellen in anderen Bereichen zu erschließen. Vielleicht noch wichtiger ist die Möglichkeit, den Kunden durch die Verbindung verschiedener Lebensbereiche ein optimales Nutzererlebnis zu bieten.

Eine leichte Aufgabe ist das gewiss nicht. Und sie wird alleine kaum zu lösen sein. Coopetition ist hier das Stichwort. Das gilt nicht nur im Verhältnis von Banken und Fintechs, sondern auch zu Unternehmen anderer Branchen. Wir bei comdirect glauben fest daran, dass die Zusammenarbeit über Unternehmens- und Branchengrenzen hinweg weiter gestärkt werden muss. Banken, aber auch Fintechs sollten das eigene Ökosystem verlassen und Impulse aus Bereichen aufnehmen, die mit Banking im eigentlichen Sinne nichts zu tun haben.

Gerade die Zusammenarbeit mit Unternehmen aus anderen Branchen bietet uns die Chance, voneinander zu lernen und das Beste aus den verschiedenen Welten zu vereinen. Comdirect arbeitet zum Beispiel als Mitglied im Verein Connected living daran, Finanzdienstleistungen noch stärker in den Alltag der Kunden einzubinden. Ich bin davon überzeugt, dass so neue Ideen und innovative Impulse entstehen – und wir spannende, bisher nicht gesehene Geschäftsmodelle schaffen können.