Schwärme sind schon eine interessante Angelegenheit. In der Tierwelt vollbringen sie unglaubliche Kollektivleistungen. In der Wissenschaft gelten sie als intelligenter als die Summe ihrer Individuen. Und in der Finanzszene gelten sie regelmäßig als die Wachablösung für die Banken im Bereich der Finanzierung. Crowdinvesting sollte es jedermann erlauben, durch Investments in Start-ups reich zu werden. So manch einer sprach vollmundig von der Demokratisierung der Start-up-Finanzierung.
Bisher war die Anschubfinanzierung von Start-ups ausschließlich die Sache von Business Angels und Venture-Capital-Firmen. Auch wenn viele der finanzierten Start-ups mit der Zeit pleite gingen, reichten die wenigen Durchstarter, um einen richtig guten Schnitt zu machen. Der Otto-Normal-Anleger dagegen hatte nie die Möglichkeit, hier sein Geld zu investieren. Einerseits hatte er keinen Zugang zu den Unternehmen, andererseits suchten diese nicht ein paar Tausend Euro, sondern ein paar Millionen. Zuviel für den Durchschnittsanleger.
Crowdinvesting sollte die Lösung sein. Plattformen, auf denen sich eine Vielzahl von Anlegern zusammenschließt, um gemeinsam in Geschäftsideen zu investieren. Am besten gleich in viele davon, um das Risiko des Einzelnen zu streuen. Die Idee klingt verlockend gut – aber ist sie das auch?
Crowdinvesting in der Krise?
Wenn man sich die aktuellen Zahlen in Deutschland anschaut und die Szene aufmerksam verfolgt, kommen einem da langsam Zweifel auf. Wobei: Wer sich die Zahlen nur oberflächlich anschaut könnte jetzt einwenden: Was erzählt der denn da? Das Crowdinvesting-Volumen wächst doch stetig!
Und in der Tat: es stimmt. Von gerade einmal 1,4 Millionen Euro im Jahr 2011 hat sich das Volumen recht dynamisch auf knapp 64 Millionen Euro in 2016 erhöht. Schaut man aber genauer hin, bekommt das Bild starke Risse. Denn das Wachstum kommt einzig und allein von den Immobilien-Investments. Die einstige Nische wird vom allgemeinen Immobilien-Boom befeuert und wächst wie blöde.
Und die Start-up-Investments? Die stagnieren auf Vorjahresniveau und bringen nicht einmal mehr halb so viel Volumen auf die Waage, wie die Immobilien. Kein Wachstum in einer Wachstumsbranche? Das gibt Grund ganz sicher zur Sorge!
Schlechte Nachrichten und ein grundsätzliches Problem
Sucht man nach den Gründen dafür, stolpert man gleich über eine Vielzahl schlechter Nachrichten. Die prominenteste davon ist definitiv die von der Protonet-Pleite. Das Hamburger Unternehmen für autarke Home-Server war mal der Star der deutschen Crowdinvesting-Szene. Auf Seedmatch sicherte sich das Team damals eine Finanzierungsrunde in Millionenhöhe. Nach reihenweise schlechter Schlagzeilen (finletter berichtete) folgte vor Kurzem dann die Pleite.
Und es war längst nicht die einzige Pleite in letzter Zeit. Als Anleger der Crowdinvesting-Plattform Companisto bin ich selbst viel Kummer gewohnt. Statt Geld zu verdienen, habe ich bisher mit jedem Investment ins Klo gegriffen. Egal ob mit eine Online-Sportartikelhändler, einem individuellen Weinhändler oder dem Verwerter von Retouren: alle pleite. Gefühlt gibt es beim Crowdinvesting nur zwei Arten von Unternehmen: die Firmen, die pleite sind – und die, die noch pleite gehen werden.
Es ist ein grundsätzliches Problem, dass Crowdinvesting als Resterampe gilt. Start-ups mit Potential wählen lieber Business Angels oder Venture Capital. Wer bei ihnen durchfällt, der wendet sich an die Crowd. Außerdem schreckt der Schwarm Profiinvestoren bei nötigen Anschlussfinanzierungen ab. Die komplexen Finanzierungsstrukturen beim Crowdinvesting verkomplizieren einfach Vieles.
Crowdinvesting für Start-ups ist gescheitert
Und so scheitert die eigentlich tolle Idee in der Praxis krachend. Fans der TV-Show „Die Höhle der Löwen“ wissen es schon lange: Man investiert nicht in eine Idee, man investiert in die Gründer. Und das funktioniert nun Mal nicht anonym über das Internet, sondern nur Auge in Auge. Also hat Crowdinvesting eigentlich keine Daseinsberechtigung – es sei denn, es geht um Immobilien.
Immobilien sind eine ganz andere Sache. Hier zählen halt nur drei Dinge: Lage, Lage und Lage. Solange der Projektentwickler einen gewissen Track Record vorweisen kann, reicht die Aktenlage für eine Investitionsentscheidung völlig aus. Der Schwarm scheint das ebenfalls bemerkt zu haben – und rennt Anbietern wie Exporo oder Zinsland die virtuelle Bude ein.
Am Ende heißt es also: Crowdinvesting ist tot, es lebe das Crowdinvesting.