About Fintech #13: Die Groko und die Digitalisierung

Tobias Baumgarten
Tobias Baumgarten

Keine Angst, der finletter ist und bleibt ein Fachmedium für die Fintech-Szene und ich bin nicht neuerdings unter die Politik-Blogger gegangen. Aber manchmal ergibt es sich, dass die wichtigsten oder folgenschwersten Fintech-Nachrichten nicht aus der Branche selbst kommen, sondern aus der Politik. So ist es aktuell. Damit meine ich gar nicht die weltweiten Bestrebungen, das Wild West der Krypto-Szene in geordnete Bahnen zu lenken. Die wichtigsten Nachrichten für die deutsche Fintech-Szene sind vielmehr die Nicht-Nachrichten aus den laufenden Koalitionsverhandlungen von CDU und SPD.

Worum geht es genau? Die beiden großen Volksparteien verhandeln derzeit in Berlin über die Fortsetzung der Großen Koalition. Über Vieles wurde in den letzten Wochen intensiv gesprochen und gefeilscht. Was dabei an die Öffentlichkeit gelangte, beschäftigt sich mit den großen Themen der Vergangenheit und der Gegenwart. Was allerdings sträflich vernachlässigt wird, ist das Mega-Thema: die Digitalisierung. Außer einem bisschen Bullshit-Bingo am Rande, hört und liest man dazu nichts.

Tobias Baumgarten
Tobias Baumgarten hat auf finletter die aktuellen Fintech-Trends im Blick. Nebenbei bloggt er auf aboutfintech.de.

Die Digitalisierung fegt über die Finanz-Branche hinweg

Wer den finletter regelmäßig verfolgt, weiß, dass die Digitalisierung über die Banken hinweg fegt. Die sind damit zwar nicht allein, aber die Veränderungen in der Branche stehen stellvertretend für viele anderen Branchen. Dank Online- und Mobile-Banking kommen immer weniger Menschen in die Filialen; das Internet hat die Preistransparenz und damit den Wettbewerb nochmals verstärkt.

Fintechs und die großen Internetplattformen aus den USA nehmen die Banken in die Zange und rauben ihnen nach und nach die attraktivsten Ertragsquellen. Das ist einer der Gründe dafür, dass Experten das große Bankensterben vorhersagen. Das ganze Geschäftsmodell der Banken steht aktuell in Frage. Reihenweise schließen Bankfilialen und viele Arbeitsplätze gehen verloren.

Die Politik muss die Digitalisierung gestalten, nicht verwalten

In Zeiten solchen Umbruchs wäre es eigentlich an der Politik, Weichen zu stellen. Stattdessen passiert: nichts. Oder zumindest zu wenig. Dabei gäbe es hierzulande viele Baustellen. So hakt der Ausbau des Breitbandnetzes in der Fläche weiterhin. Selbst in Metropolen wie Hamburg ist es teilweise schwer, einen Gigabit-Glasfaseranschluss für sein Business zu bekommen. In ländlichen Gebieten gibt es viele weiße Flecken beim mobilen Internet. Und die Gesetzgebung läuft den technischen und gesellschaftlichen Entwicklungen und Jahre hinterher. Schlechte Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Digitalisierung der (Finanz-)Wirtschaft.

Eine ebenso große Baustelle ist definitiv die Bildung. Wie Sascha Lobo in seiner „Spiegel Online“-Kolumne richtig festgestellt hat, braucht zwar nicht jeder Programmierkenntnisse, wohl aber Verständnis für die vernetzte Welt. Wir haben Millionen Kinder, die täglich Apps auf ihrem Smartphone konsumieren. Gleichzeitig hat kaum eines von ihnen eine Ahnung, was da im Inneren des Gerätes und im Hintergrund passiert. Kein Wunder, wenn das digitalste in deutschen Schulen die Smartphones der Kinder sind – und die müssen im Unterricht ausgeschaltet werden.

Digitales Mindset fehlt

Da verwundert es denn auch nicht, wenn Banken und Fintechs hierzulande kaum die dringend benötigten Fachkräfte finden: Developer, UX-Designer, KI-Experten, usw. Unser Bildungssystem ist immer noch darauf ausgelegt, folgsame Arbeiter und Verwaltungsfachangestellte auszubilden. Das verbeamtete Lehrpersonal züchtet viele kleine Nachwuchsbeamte heran – Unternehmertum oder gar Gründertum gilt dagegen als Fehler im System. Ein flächendeckender Informatikunterricht als Kernfach ab der Grundschule oder zumindest ein Pflichtnebenfach in Medienkunde würde schon allein daran scheitern, dass den meistens Lehrern das digitale Mindset fehlt.

Es gäbe also viel zu tun für unsere Politik. Und so ist es schon eine wichtige Botschaft aus den Koalitionsverhandlungen, dass das Thema Digitalisierung nur eine Randnotiz wert ist. Für die deutschen Banken bedeutet das, dass sie in einem analogen Umfeld selbst versuchen müssen, den Sprung in die Digitalisierung zu schaffen. Und für die hiesigen Fintechs, dass sie denkbar schlechte Rahmenbedingungen vorfinden, um im internationalen Wettbewerb gegen die Konkurrenz aus Amerika oder Asien zu bestehen. Das nächste Paypal wird so sicherlich nicht aus Deutschland kommen.