Die letzten Monate des gerade abgelaufenen Jahres 2017 waren geprägt vom großen Krypto-Hype. Die Kurse der wichtigsten Kryptowährungen kannten – meistens – nur den Weg nach oben. Daran änderten auch gelegentliche Kurseinbrüche um 20 bis 30 Prozent wenig. Gleichzeitig heizt sich das Geschäft mit den ICOs immer weiter auf. Auch deutsche Fintechs mischen dabei kräftig mit. Aktuell bereitet zum Beispiel die Spar-App Savedroid ihren ICO vor, um mit den Erlösen wiederum das Sparen in Kryptowährungen in ihrer App zu ermöglichen.
Dabei investieren die Nutzer sowohl in die Kryptowährungen als auch in die vielen ICO-Token hauptsächlich, um Kursgewinne zu erzielen. Es geht also im Grunde um Spekulation, nicht um den praktischen Nutzen. Für Bitcoin und Co. zeichnet sich das schon länger ab. Egal, mit wem man spricht: Niemand zahlt wirklich mit den Coins. Alle halten sie und warten auf Kursgewinne. Aber selbst bei den Utility Tokens (umgangssprachlich auch App-Coins genannt) steht die Spekulation über allem, was sich zum Beispiel auch in dem Whitepaper zum Savedroid-ICO widerspiegelt.
Ewig locken die Wertsteigerungen
Darin geht das Savedroid-Team ausführlich darauf ein, dass die Anzahl der Tokens begrenzt ist und ein bestimmter Anteil regelmäßig eingezogen und vernichtet werden. Deutlich wird darauf hingewiesen, dass der Wert der Token damit tendenziell stark steigen wird. In einer Grafik wird sogar bereits prognostiziert, welche Kursgewinne den Käufern der Tokens im Pre-Sale bevorstehen könnten.
Während also im Whitepaper ausführlich auf die Gewinnchancen eingegangen wird, findet man nur eher rudimentär Aussagen dazu, was man mit den Utility (!) Tokens am Ende eigentlich praktisch anfangen können soll. Und das ist keine Besonderheit des Savedroid-ICOs, sondern der Normalfall.
Auch Kryptowährungen setzen auf Kurssteigerungen
Für das breite Universum der Kryptowährungen gilt das ebenso. Auch hier ist die Anzahl der Einheiten der Währungen in aller Regel von Anfang an fix. Mal sind alle Einheiten auf einmal im Rahmen einer initialen „Genesis-Transaktion“ da, manchmal müssen sie noch von Minern geschürft werden. Aber die Obergrenze steht von vornherein fest. Das war auch eine der zentralen Punkte im alles startenden Whitepaper von Bitcoin-Urvater Satoshi Nakamoto.
Während die klassischen Fiat-Währungen der Zentralbanken durch expansive Geldpolitik zur Inflation neigen, sollte durch die fixe Obergrenze der Inflation der Garaus gemacht werden. Bei zunehmenden Interesse an den Kryptowährungen sorgt das allerdings zwingend zur Deflation – und damit zu Wertsteigerungen. Das ist denn auch der Grund, warum der Hype den Hype nährt: die Fear of missing out.
Kurssteigerungen machen Coins und Token nutzlos
Die Aussicht auf große Kursgewinne sind natürlich auf der einen Seite nützlich, um überhaupt Investoren für die jeweiligen Ideen zu finden. Wer früh in den Coin oder den Token investiert, erwartet als Risikokapitalgeber eben eine adäquate Rendite. Und die ist sicherlich auch grundsätzlich gerechtfertigt, denn das Verlustrisiko ist riesig. Allerdings sorgen ausgerechnet diese Kursgewinne dafür, dass die Coins oder Tokens am Ende für den eigentlichen Einsatzzweck nutzlos werden.
Mit einer (Krypto-)Währung will ich eigentlich meine täglichen Geldgeschäfte erledigen. Gehalt bekommen, Miete und Versorger bezahlen, einkaufen und sparen. Dafür bedarf es allerdings einer gewissen Wertstabilität, die im traditionellen Geldsystem von den Zentralbanken gehütet wird. Eine Währung, die beständig an Wert gewinnt, gibt nur kaum einer aus – er würde ja Kursgewinne verschenken. Bei Bitcoin oder Ethereum sind zudem die Transaktionskosten steil angestiegen und machen eine Nutzung als Zahlungsmittel uninteressant.
Analog verhält es sich mit den Utility Tokens, wenn ich diese dazu nutzen soll, für die jeweiligen Dienste des Emittenten zu bezahlen. Je höher der Kurs des Tokens steigt, desto teurer wird der Dienst plötzlich für den Nutzer. Irgendwie blöd und kontraproduktiv. Zumal sich in den meisten Fällen die Frage nach dem Mehrwert des Utility Tokens gegenüber dem Euro oder dem US-Dollar stellt.
Das ist das große Problem
Das große Problem der bisherigen Coins und Tokens liegt darin, dass über sie auch ihr Funding erfolgt. Das ist in etwa so, als wenn die Investoren von Tesla nicht Tesla-Aktien, sondern die Teslas selbst für ein Investment in das Unternehmen kaufen müssten. Wenn die Firma dann erfolgreich ist, müssten die Teslas plötzlich massiv an Wert gewinnen – was wohl dazu führen würde, dass sich kaum noch jemand einen Tesla als Alltagsauto kaufen würde, sondern nur noch zur Spekulation.
Wenn Coins und Tokens also wirklich eine Zukunft mit Nutzen für die Gesellschaft haben sollen, müssen Funding und eigentlicher Nutzen wieder getrennt werden. Und die Anzahl der Coins oder Token muss flexibel an die tatsächliche Nachfrage angepasst werden, um ihren Kurs stabil zu halten. Schluss mit den Kurskapriolen, rauf mit der echten Nutzung. Aber dann wär’s eben auch langweilig.