About Fintech #11: Startschuss für Open Banking?

Regelmäßige Leser des finletters haben schon häufiger etwas gelesen über die EU-Richtlinie PSD2. Diese zwingt Europas Banken ab kommendem Jahr dazu, über so genannte APIs, also Schnittstellen, Drittanbieter auf Kundenkonten zugreifen zu lassen. Das birgt das Potential, die Bankenbranche gehörig umzukrempeln. Die meisten Banken verhalten sich allerdings seltsam passiv und basteln nur an einer Art Mindestumsetzung der gesetzlichen Vorgaben – und verschenken damit ein immenses Zukunftspotential.

Dahinter dürfte die zutiefst menschliche, aber auch lähmende Angst stecken, dass Drittanbieter wie Fintechs und große Internet-Plattformen über die Schnittstelle so tolle Dienstleistungen anbieten, dass die Banken ins Hintertreffen geraten und am Ende den direkten Kontakt zu ihren Kunden verlieren. Eine Angst, die sicherlich nicht ganz unbegründet ist. Nur ist Angst selten ein guter Ratgeber, wenn es um die Gestaltung der Zukunft geht.

Tobias Baumgarten
Tobias Baumgarten hat auf finletter die aktuellen Fintech-Trends im Blick. Nebenbei bloggt er auf aboutfintech.de.

Deutsche Bank geht anderen Weg

Das hat sich wohl auch die Deutsche Bank gedacht. Der krisengeschüttelte Bankenriese gab Ende November seine neue dbAPI für die Öffentlichkeit frei. Mit dieser eigenen Schnittstelle, die deutlich über die Anforderungen der PSD2 hinaus geht, wollen die Frankfurter bei diesem Thema einen anderen, deutlich offensiveren Weg gehen.

So hat die Deutsche Bank ihre API ein Jahr lang mit verschiedenen Entwicklern getestet und sie sukzessive auf deren Bedürfnisse hin optimiert. Developer können sich registrieren und innerhalb von zwei Minuten auf simulierte Testdaten zugreifen. Statt Abwehr von Drittanbietern also eine kontinuierliche Entwicklung hin zu maximalem Kundennutzen.

Und wo anderen Banken(-gruppen) sich gerade einmal zu einer mehr oder weniger guten Dokumentation ihrer API durchringen können, stellen die Deutschbänker den Entwicklern den direkten Zugriff auf das API-Team sowie ein Entwicklerportal bereit. Inhaltlich bietet die Deutsche Bank zudem gleich API-Pakete an, die den Aufwand für die Entwickler deutlich verringert.

Open Banking auch in Zukunft relevant

Damit forciert das Kreditinstitut die weitere Entwicklung von Open Banking. Was andere Banken weiterhin als Gefahr sehen, gestaltet die Deutsche Bank aber aktiv mit. Sie bleibt so auch in Zukunft relevant für ihre Kunden. Die Entwickler, welche die dbAPI nutzen, bauen immerhin eine Art Open-Banking-Ökosystem rund um die Deutsche Bank auf. Das könnte sich ähnlich gut entwickeln, wie George von der Ersten Bank in Österreich.

Das Interesse ist offenbar groß: Aktuell sollen sich bereits über 1.000 Developer registriert haben. Die API-Pioniere von Figo mögen über solche Zahlen (mittlerweile) milde lächeln – für eine Bank, die bisher nicht gerade durch aggressives Werben in der Szene in Erscheinung getreten ist, sind sie allerdings bemerkenswert. Andere Banken(-gruppen) dürften durchaus neidvoll auf die Deutsche Bank schauen.

Sparkassen sagen Ahoi – was machen die anderen?

Immerhin: Die Sparkassen haben mit Ahoi ebenfalls bereits eine eigene API am Start, die sie mittlerweile auf zwei Hackathons promoted haben.* Und der Zentralverband der deutschen Sparkassen (DSGV) scheint durchaus erkannt zu haben, welchen Mehrwert ein dynamisches Ökosystem zukünftig haben kann. Allerdings steht sich die Sparkassen-Finanzgruppe mit ihren knapp 400 Mitgliedsinstituten oftmals gern mit politischen Ränkespielen selbst im Wege. Nachdem die Verwandten aus Österreich aber mit George erfolgreich sind, ist man ein Stück weit unter Zugzwang.

Und was ist mit Genossen, anderen Großbanken und den Privatbanken? Hier hört man bisher eher wenig, von Lichtblicken wie der Sutor Bank abgesehen. Aber das wird nicht so bleiben (können), denn die Deutsche Bank wird mit der dbAPI mittelfristig die Richtung vorgeben. Wer hier nicht schnell in die Puschen kommt und eine mehrwertige Schnittstelle an den Start bringt, wird bald Probleme haben, seinen Kunden zeitgemäße Angebote machen zu können.

Open Banking lebt von den Entwicklern

Eine Sache scheint vielen Bankvorständen dabei noch nicht klar zu sein: Es sind die Developer, die über den Erfolg von Open-Banking-Ökosystemen entscheiden werden. Hier könnte sich Geschichte wiederholen: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Das war schon bei mobilen Betriebssystemen so. Nachdem die Entwickler bereits mit iOS und Android gut ausgelastet waren, hatte kaum noch jemand die Ressourcen übrig, später auch noch für Windows Phone zu entwickeln. Ähnlich könnte es bei den Banken-APIs laufen.

Nicht einmal die Sparkassen und Volksbanken können sich entspannt zurücklehnen. Klar: Sie haben (noch) die meisten Bankkunden in der Hinterhand. Allerdings war Microsoft früher auch mal klarer Marktführer mit den meisten Kunden am PC. Doch weil sie zu spät auf Mobile gesetzt haben, spielen sie dort mittlerweile aber keine Rolle mehr. Das sollte ein Alarmsignal für die Öffentlich-Rechtlichen und die Genossen sein.

Denn klar ist: Die Banken(-gruppen) werden künftig um die Developer werben und streiten müssen – nicht umgekehrt. Wir dürfen gespannt sein, wie schnell sich diese Erkenntnis in den Vorstandsebenen durchsetzen wird.


* Transparenzhinweis: Tobias Baumgarten arbeitet für die Hamburger Sparkasse.